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Lorettas letzter Vorhang

Lorettas letzter Vorhang

Titel: Lorettas letzter Vorhang Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Petra Oelker
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auszusuchen, rigoros abgelehnt. Auch wenn er nicht begriffen hatte, was an seinem doch recht nützlichen Vorschlag so komisch gewesen war, hatte er nicht danach gefragt. Augusta war seine Tante, eine alte Dame, die allen Respekt verdiente, ungeachtet ihres bisweilen völlig unhanseatischen Verhaltens. Wahrscheinlich liebte er sie gerade wegen dieser kleinen störrischen Anflüge, die eigentlich nur sehr jungen Damen anstanden.
    «Prachtvoll, nicht wahr?» Schwarzbach, Besitzer der Kattundruckerei Schwarzbach & Sohn, sah seinen Kunden prüfend an. Er machte schon seit einigen Jahren Geschäfte mit Claes Herrmanns, aber noch nie war der, immerhin einer der reichsten Kaufleute der Stadt und als Mitglied der Commerzdeputation ein einflußreicher Mann, persönlich in seinem Kontor erschienen, um Stoffe für seine junge Gattin auszusuchen. Nun ja, ganz so jung war Madame Herrmanns nicht mehr, gewiß schon Mitte der Dreißig, aber doch erst seit zwei Jahren verheiratet und von wirklich jugendlicher Gestalt. Knochig hatte Lohmeyer sie neulich genannt, das fand Schwarzbach nicht gerade. Gewiß, sie war äußerst grazil, auch ein wenig zu groß, aber doch elegant, wirklich elegant, was man von einer Engländerin nicht unbedingt erwarten konnte. Wenn er an die Garderoben der Königin dachte, da hörte man wirklich seltsame Dinge. Ihre Majestät, hieß es, trage immer noch nichts als Seide, wo doch gerade in England der Kattun so
en vogue
war. Andererseits war Madame Herrmanns ja auch keine richtige Engländerin, sondern vonder Insel Jersey vor der Küste der Normandie, also schon fast eine Französin. Und Lohmeyers Geschmack war sowieso nicht der beste, zumindest was Damen betraf. Madame Herrmanns auf dem großen Januarball in einer Robe aus seinem, Schwarzbachs, Kattun! Das würde Mode machen. Trotzdem, er zählte verstohlen die Schläge der Turmuhr von St.   Petri. Eine dreiviertel Stunde, nur um ein Muster für ein privates Vergnügen auszuwählen, erschien ihm doch als sehr großzügiger, geradezu leichtfertiger Umgang mit der Zeit.
    «Eure Muster, Schwarzbach, sind in der Tat prachtvoll. Aber ich muß gestehen, es wäre mir lieber, wenn Ihr mir nur vier oder fünf zur Auswahl gezeigt hättet. Dies sind ja mehr als – was sagtet Ihr? Hundert?»
    «Hundertsechsundzwanzig. Und es gibt noch ein zweites Musterbuch. Noch einmal so viele Muster. Allerdings schlichtere, viel schlichtere. Ich glaube nicht, daß sie für Madame Herrmanns geeignet sind. Doch dieses   …», er beugte sich vor, blätterte in dem dicken Katalog und schlug ein Blatt im hinteren Teil auf, «…   dieses Muster würde sie ganz wunderbar kleiden. Zu ihren zarten Farben und zu dem Honigton ihres Haares. Habe ich nicht recht?»
    Henner Schwarzbach rieb seine trockenen Hände und lächelte triumphierend, soweit seine strengen Züge ein solches Gefühl überhaupt verraten konnten. Es gab 17   Kattundruckereien in Hamburg, doch gleichgültig, wie groß die Konkurrenz war, seine Muster waren die elegantesten. Natürlich lagerten in den Regalen der Säle seiner Manufaktur auch viele Druckstöcke mit einfachen Mustern für preiswertere Ware, für Röcke von Köchinnen oder Knopfmacherinnen, nicht für eine Madame Herrmanns. Obwohl allgemein bekannt war, daß sie hin und wieder einen geradezu exzentrisch schlichten Geschmackbewies, um es höflich auszudrücken. Das war eben doch das Englische in ihr. Aber hier ging es nicht um den Stoff für ein Gartenkleid, und außerdem, warum sollte er einem reichen Kaufmann Appetit aufs Sparen machen?
    Claes Herrmanns sah eher grimmig als zweifelnd auf das Muster und versuchte sich die schweren roten und gelben Blüten zwischen goldumrandetem Blattwerk auf einem Kleid seiner Frau vorzustellen. Schwarzbach mochte ein guter Geschäftsmann sein, von Frauenkleidern im allgemeinen und Mode im besonderen verstand er offensichtlich nicht viel. Anne Herrmanns war eine hochgewachsene, schlanke Frau, ihre Farben waren tatsächlich zart, und auch wenn Claes Herrmanns kaum mehr von der Mode verstand als Schwarzbach, sah er doch auf den ersten Blick, daß diese üppigen Gebilde eher für das Kleid einer mutigen Matrone oder den Bezug einer Chaiselongue paßten als für Anne.
    Es schien ihm wirklich leichter, über den Kauf von Anteilen an einem Schiff oder die stille Beteiligung an einem holländischen Lagerhaus in Ostindien zu entscheiden als über so ein vermaledeites Kattunmuster.
    «Hübsch», murmelte er, «wirklich hübsch, aber

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