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Lost Land, Der Aufbruch

Lost Land, Der Aufbruch

Titel: Lost Land, Der Aufbruch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jonathan Maberry
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nichts anderes mehr gemacht. Von morgens bis abends nur noch getrunken, getrunken, getrunken. Dabei hatte er versprochen, für uns zu sorgen.«
    Sie hätte ebenso gut über ihn sprechen können. Ihn fröstelte.
    Bald war es wieder so weit. Es kam jedes Mal wie ein Fieberanfall über ihn, und er konnte spüren, wie es kam. Es begann mit einem leichten Schaudern, mit Gänsehaut. Mitdem Gefühl, zu frösteln, obwohl es warm genug im Zimmer war. Und dann war da dieses schmerzhafte Ziehen in den Nieren. Ein Blick auf seine Hände genügte, um ihm zu zeigen, dass die Verwandlung kurz bevorstand. Zwar waren auf den Handrücken noch keine dunklen Haare zu sehen, ein untrügliches Zeichen jedoch waren die Monde seiner Fingernägel: Sie verfärbten sich bereits schwarz.
    Lawrence Talbot, den seine wenigen Freunde »Larry« nannten, war drauf und dran, das Bewusstsein zu verlieren. Er gab sich noch etwa 45 Minuten. Nur in dieser Zeit vermochte er noch selbst zu kontrollieren, was er tat – alles, was darüber hinausging, lag jenseits seines Einflussbereiches.
    In den zwei Nächten vor und nach Vollmond zeigten sich zwar immer noch Symptome der Wolfskrankheit, aber meist kam es während dieser Zeit zu keiner kompletten Verwandlung. Vorgestern war Vollmond gewesen. Wenn er Glück hatte, war es heute also nicht mehr ganz so schlimm. Nüchtern betrachtet, wäre es besser, der Sache ein für alle Mal ein Ende zu bereiten. Aber nüchtern betrachtete er die Dinge schon eine ganze Weile nicht mehr.
    Es klopfte. Der Gin kam. Die junge Frau von der Rezeption brachte ihn selbst hoch. Sie trug die Flasche und einen Behälter mit Eis auf einem Tablett vor sich her.
    Â»Danke.« Talbots finstere Miene hellte sich auf. Er wies auf die Anrichte. »Bitte stellen Sie es einfach da hin.«
    Â»Ist das wirklich alles?« Sie sah ihn an, als befürchtete sie, er könne, wenn sie fortging, eine Dummheit begehen. »Ich meine …«
    Â»Ja?«
    Â»Es geht mich ja eigentlich nichts an, aber …« Sie stockte. »Sie sehen heute etwas … wie soll ich sagen? Etwas angeschlagen aus, Mr Talbot. Und da habe ich mich gefragt, obSie vielleicht noch einen Tee möchten oder …« Sie errötete und fuhr sich verlegen mit der Hand durchs Haar.
    Â»Ich weiß Ihre Besorgnis zu schätzen«, sagte er. »Und ja, Sie haben recht. Ich fühle mich heute tatsächlich nicht besonders.« Allerdings schon sehr viel besser, seit Sie da sind, dachte er, sprach es jedoch nicht aus. »Möglicherweise liegt es am Wetter.« Schmunzelnd zog er die Augenbrauen hoch. »So viel Sonnenschein sind wir Briten einfach nicht gewohnt.«
    Sie quittierte seinen kleinen Scherz mit einem Lächeln. »Okay, wenn es nur das ist, bin ich beruhigt. Ich sehe Sie morgen beim Frühstück, Mr Talbot.«
    Â»Ganz bestimmt.« Und dann, als sie sich umwandte: »Warten Sie. Einen Augenblick noch, bitte.«
    Â»Ja?«
    Er hatte sie nach ihrem Vornamen fragen wollen. Doch plötzlich fand er, es sei doch nicht der richtige Zeitpunkt. Wer zum Teufel war er, dass er sich einbildete, sie könne auch nur einen Hauch von Interesse an ihm haben? Sie war blutjung – bestimmt 15 Jahre jünger als er –, eine bildhübsche, kerngesunde Frau, die nach Seife duftete. Und er kam sich klein und ekelhaft vor, mit der Flasche Gin dort auf der Anrichte, seinem verschwitzten Tweedanzug und den von Minute zu Minute dunkler werdenden Fingernägeln. »Ach, nichts«, sagte er schließlich.
    Â»Dann wünsche ich Ihnen eine gute Nacht, Mr Talbot.«
    Â»Danke. Gute Nacht.«
    Talbot trank so lange, bis die Flasche leer war und er kaum noch stehen konnte. Irgendwie musste er auch noch diese Nacht hinter sich bringen, ohne die Zimmereinrichtung zu ruinieren. Morgen würde er sich um die Rumänin kümmern, das Gesicht in der Zeitung, die falsche Durchwahlnummer in der Botschaft. Bestimmt gab es für all das eine ganz plausibleErklärung. Morgen. Bei Tage betrachtet, sah meist alles viel freundlicher aus. Nur noch diese eine Nacht.
    Aber auch die Tage schienen ihm mittlerweile unter den Fingern zu zerfallen.

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