Lost Princesses 02 - Ketten Der Liebe
Farbe der Fensterläden. Das Reetdach war stellenweise undicht, und zwei Fensterscheiben waren während eines Wintersturms zersprungen und seitdem nur mit Lumpen verhängt.
Miss Victorine hatte ihr ganzes Leben in diesem Haus verbracht. Sie war dort aufgewachsen und in dieser Umgebung alt geworden. Nun musste sie mit ansehen, wie das Haus nach dem Tod ihrer Familie weiter verfiel. Lord Northcliff zeigte kein Interesse, seine Besitztümer instand zu halten.
Die alte Dame war so etwas wie das Herz des Dorfes, eine freundliche Seele, die Amy bereitwillig ein Dach über dem Kopf angeboten hatte, als Amy an Land gespült worden war - halb bewusstlos und vor Kälte ganz steif gefroren. Zwar hatte sie der gutmütigen Miss Victorine erzählt, sie könne sich nicht mehr erinnern, warum sie Seemannskleidung am Leib trug, aber das war natürlich gelogen. Sie wusste noch genau, wie sie über die Reling des Schiffs gesprungen war, als der Kapitän und die Crew entdeckten, dass es sich bei dem Kabinenjungen um eine junge Frau handelte.
Männer, zu diesem Schluss war Amy gekommen, waren Schweine. Es hatte über ein Jahr gedauert, bis Amy eher widerwillig zugab, dass Pom ein netter Mann war.
Aber es war Miss Victorine gewesen, die Amy Güte und Mitgefühl gelehrt hatte und sie auf diesen gewundenen Pfad geschickt hatte, um Gerechtigkeit zu fordern.
Miss Victorine eilte voraus, um die Tür aufzuhalten. Eine große schwarze Katze streifte um ihre Beine, und die ältere Dame bückte sich, um das Tier auf den Arm zu nehmen. »Coal, mein Lieber, wie geht es dir?«
Der Kater miaute und rieb seinen Kopf an ihrem Kinn, kletterte dann rasch auf ihre Schulter und hing dort wie ein Pelzkragen.
Miss Victorine kraulte den Kater am Rücken. »Passen Sie auf, dass Seine Lordschaft sich nicht den Kopf stößt, Pom. Wir wollen ihn nicht wütend machen.«
»Keine Sorge, Ma’am, ich pass schon auf.« Pom trug den in Segeltuch eingeschlagenen Marquess ins Haus und wartete, bis Amy den langen Mantel am Boden abgelegt und eine Laterne angezündet hatte. An den Eingangsbereich schloss sich der Wohnraum an, von dem die Schlafzimmer über einen dunklen Gang zu erreichen waren. Amy hielt auf die Küche im hinteren Bereich des Hauses zu, gefolgt von Pom und Miss Victorine. Pom zog den Kopf ein, als er die ersten Stufen nahm, die hinunter in den Weinkeller führten. Das dicke Segeltuch traf rhythmisch auf seine Oberschenkel. Der Marquess regte sich nicht.
In dem kleinen, in das Felsgestein getriebenen Raum unter dem Haus hatten Amy und die ältere Dame eine Ecke für Seine Lordschaft freigeräumt. Natürlich war der notdürftig geschaffene Bereich nicht so großzügig wie die Räumlichkeiten in Lord Northcliffs Landhaus, aber für die paar Tage, die er im Keller würde zubringen müssen, würde es reichen. In dem kleinen Raum standen ein Bett, ein Tisch, ein Krug und eine Schale mit Wasser sowie eine Kiste mit staubigen Büchern. Die Schlafstelle hatten sie unter das schmale, hohe Kellerfenster geschoben, durch das ein wenig Licht fiel. Daneben stand der Nachttopf. An einer Mauer stand ein alter Schaukelstuhl.
Und an der Steinmauer neben dem Bett war die Eisenkette befestigt, die aus Edmondson Castle stammte.
Amy war selbst in das unheimliche Verlies gegangen, um die eisernen Fesseln zu holen. Mit kritischem Blick hatte sie den Rost auf den verschiedenen metallenen Gegenständen in dem unterirdischen Gefängnis begutachtet. Schließlich hatte sie sich für diese Kette entschieden, und nachdem die Fesseln mit Öl eingerieben worden waren, erwies sich der Entschluss als richtig. Handfessel und Kette waren zwar nicht so gut erhalten, wie Amy es gehofft hatte, aber sie besaß den passenden Schlüssel dafür. Ein Schlüssel, der sich in dem alten Schloss drehen ließ. Denn Amy gedachte, den Marquess nicht länger als nötig hier unten festzuhalten.
Die mit Stroh gefüllte Matratze knisterte, als Pom Lord Northcliff auf die schmale Pritsche legte und ihn aus dem Segeltuch wickelte.
Amy reichte Miss Victorine die Laterne. Von einer leisen Furcht erfasst, tastete Amy nach der Ader an Lord North-cliffs Hals. Sein Puls war regelmäßig, und da die Haut des Marquess sich heiß anfühlte, bildete Amy sich ein, Lord Northcliff koche angesichts dieser schändlichen Entführung im Unterbewusstsein vor Wut.
Hastig zog sie ihre Hand zurück. »Er lebt, das steht außer Zweifel.«
»Dem Himmel sei Dank!« Miss Victorine hatte es sich nicht nehmen lassen, sich
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