Love Train
Perücken auf den Köpfen und schaukelten im Rhythmus von »Dreamgirl« ihre Hüften. Eine junge Frau neben mir begann, den Text meines Lieblingsliedes lautstark mitzusingen.
So gern ich Juli noch ein bisschen gegrollt hätte, ich merkte schnell, dass ich mich dieser groÃartigen Stimmung einfach nicht entziehen konnte.
»Ist das nicht Hammer?«, freute sich meine Schwester und ich nickte. Ja, das war der Hammer! Die Parade auf dem Wasser dauerte fast zwei Stunden und die Besatzungen der Schiffe überboten sich mit ihren schrillen Outfits und den Tanz- und Gesangsdarbietungen.
»Und jetzt?«, fragte Juli, als sich die Zuschauermenge um uns herum aufzulösen begann.
»Wie wäre es mit einer Runde Ausruhen?« Ich sehnte mich danach, mich auf meinem Bett auszustrecken und meinem Rücken, der vom Rucksackschleppen noch immer schmerzgeplagt war, eine Pause zu gönnen. AuÃerdem hätte ich gern ein paar Seiten in meinem Buch gelesen.
»Ausruhen kannst du dich, wenn du tot bist«, konterte Juli. Argh, warum war ausgerechnet ich mit einem Duracellhasen als Schwester geschlagen?
»Ach, bitte, Juli, nur eine halbe Stunde«, bettelte ich.
»Nix da, wir haben eine Mission.« Juli war wirklich erbarmungslos.
»Du hast vielleicht eine Mission. Ich mach bei dem Quatsch garantiert nicht mit.« Meine gute Laune war wieder dahin. Ich wusste genau, was Juli meinte: Sie wollte losziehen und das Zeug besorgen, mit dem sie morgen Abend Tobias beeindrucken wollte.
»Dann leg dich halt hin«, gab Juli mit einem gelangweilten Schulterzucken zurück. »Ich such mir so lange einen schönen Coffeeshop.«
Aber so einfach war das nicht. Denn ich hatte auch eine Mission, zumindest hatte ich meiner Mutter ein Versprechen geben müssen, kurz bevor meine Schwester und ich unsere Reise antraten. Am Abend vor der Abreise war sie in mein Zimmer gekommen und hatte sich zu mir aufs Bett gesetzt. »Passt du ein bisschen auf Julia auf?«, hatte sie mich gebeten. Und als ich nur genervt stöhnte, fuhr sie fort: »Ich weiÃ, dass deine Schwester die Ãltere ist, aber manchmal habe ich das Gefühl, dass du viel vernünftiger bist als Juli.« Womit meine Mutter wohl den Nagel auf den Kopf getroffen hatte.
»Schon gut«, seufzte ich mal wieder. »Ich komme mit.«
Es war immer noch unglaublich viel los in der Stadt, aber die Party schien sich jetzt langsam von den StraÃen weg in die Bars und Clubs zu verlegen.
Einen Coffeeshop zu finden, war definitiv nicht der schwierige Teil der Aufgabe. Es gab die Kiffercafés quasi an jeder StraÃenecke, unverkennbar war der süÃliche Geruch, der aus den Türen nach drauÃen quoll und mir leichte Ãbelkeit verursachte.
»Suchst du was Bestimmtes?«, wollte ich schlieÃlich von meiner Schwester wissen, als sie bereits am dritten Laden vorbeigelaufen war.
»Hm, nee«, räumte sie ein und stieà die grün gestrichene Tür eines Shops auf, dessen Schaufensterscheibe mit den Köpfen rauchender Rastalockenträger bemalt war. Ohne sich nach mir umzusehen, marschierte Juli hinein. Ich gab mir einen Ruck und folgte ihr.
Der Coffeeshop war gut besucht, auf bequemen Sesseln drückten sich Leute verschiedensten Alters und unterschiedlichster Hautfarben herum und die süÃe Luft war zum Schneiden dick. Zielstrebig steuerte Juli auf die Verkaufstheke zu, die gar nicht so anders aussah als in einem normalen Café, mal davon abgesehen, dass die Muffins und Kekse auf dem Tresen vermutlich hochprozentiger waren und in den durchsichtigen Dosen im Regal an der Rückwand keine Kaffeebohnen aufbewahrt wurden.
Ãber der Theke hing eine Tafel, und ich staunte nicht schlecht, als ich die Angebote studierte: Von »Bubble Gum« bis »Fishermanâs Friend« war alles Mögliche dabei, was man auch in der SüÃwarenabteilung eines Kaufhauses vermuten würde. Allerdings bezeichneten die unauffälligen Namen wohl verschiedene Sorten von Cannabisprodukten. Zudem gab es wohlklingendere Angebote wie »Purple Haze« und »Royal Cream«. Ich hatte nicht den leisesten Schimmer, was sich dahinter verbarg.
»Cookie?« Ich zuckte zusammen, als mich plötzlich ein Typ neben mir ansprach, der genauso aussah wie eine der Figuren auf der Schaufensterscheibe. Auffordernd deutete er auf einen Teller, auf dem sich mehrere Kekse stapelten.
»No, thank you«, beeilte ich
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