Love Train
wie ich zu meinem Entsetzen feststellte â Massen von Zwiebeln. Ich verzichtete nach einem Blick in den Automaten auf die Fleischbeilage, hockte mich an einen der zerkratzten Tische und schob die Zwiebeln, so gut es ging, zur Seite. Immerhin: Die Pommes waren echt köstlich! Und sehr sättigend.
Ich lächelte Frau Antje beim Rausgehen zu und lief zurück zum Hostel.
Das Viererzimmer hatte ich um diese Uhrzeit natürlich für mich. Ich zog mir mein Schlafshirt über, kroch unter die mehrsprachige Bettdecke und holte aus dem kleinen Rucksack mein Tagebuch, eine etwas zerfledderte rote Kladde, die ich eigentlich überallhin mitnehme. Es dauerte über eine Stunde, bis ich alles aufgeschrieben hatte, was ich an diesem einen Tag erlebt hatte. Danach schloss ich die Augen, zu groggy, um noch ein paar Seiten zu lesen. Und obwohl die Matratze durchgelegen und das Kissen zu flach war, muss ich fast augenblicklich eingeschlafen sein.
Mitten in der Nacht wachte ich davon auf, dass jemand über mein Bett fiel. Erschrocken fuhr ich hoch und fluchte leise, als ich meine Schwester erkannte.
»âtschuldigung«, nuschelte Juli und warf sich auf ihr eigenes Bett. Es dauerte keine drei Sekunden, bis ich ihre gleichmäÃigen Atemgeräusche hörte. Ich selbst fand noch lange nicht wieder in den Schlaf. Und das lag nicht nur daran, dass das Mädchen, das im Bett auf meiner anderen Seite lag, Polypen haben musste und durchdringend schnarchte. Mir war flau im Magen, und ich fürchtete schon, dass die Pommes ein bisschen zu »spezial« gewesen sein könnten. Doch dann wurde mir klar, dass ich einfach nervös war. Was würde Tag zwei unserer Reise bringen und Tag drei und Tag vier â¦?
SchlieÃlich steckte ich mir meine iPod-Stöpsel in die Ohren und No Way sangen mich sanft ins Land der Träume.
Ich sehne mich so ⦠manchmal so sehr, dass ich darüber fast vergesse, wonach.
aus Lenas Tagebuch
»Raus aus dem Bett, Schnarchnase!« Meine Schwester kitzelte mich an den FüÃen. So hatte sie mich schon geweckt, als wir noch in die Grundschule gingen, und ich hasste es heute noch genau wie damals.
Im Gegensatz zu mir Achtstundenschläferin brauchte Juli eigentlich keinen Schlaf. Trotz ihrer kurzen Nacht sah sie blendend aus: Zur geknöpften Taillen-Hotpants trug sie eine geknitterte Rüschenbluse, ihr Styling komplettierten ein geblümtes Tuch und riesige Kreolen an den Ohren. Ihr leicht geschminktes Gesicht wirkte, als hätte sie gestern einen entspannenden Wellnesstag eingelegt. Unfair! Ich selbst hatte vermutlich eher Ãhnlichkeit mit Julis Bluse: weià wie eine Wand und ziemlich zerknittert.
»Wenn hier einer schnarcht, dann du«, gab ich grummelnd zurück. »Oder Miss Polypen aus dem Nachbarbett.« Mist, manchmal redet mein Mund einfach schneller, als ich denke. Erschrocken drehte ich mich um, aber die Damen aus den beiden anderen Betten waren bereits aufgestanden.
»Wie spät?«
»Schon fast zehn.« Wieder machte Juli Anstalten, sich meinen FuÃsohlen zu widmen. Eilig zog ich die FüÃe unter die Decke, worauf sie sich auf mich stürzte und anfing, mich in die Seite zu piksen.
»Okay, okay.« Ich befreite mich und fiel beinahe aus dem Bett. »Nur schnell duschen, dann können wir los.«
Juli setzte sich auf die Bettkante und tippte mit dem Zeigefinger auf ihre Armbanduhr. »Fünf Minuten, sonst geh ich allein los.«
Argh! Es gibt zwei Dinge, die ich am Morgen brauche, um wach zu werden: eine ausgiebige Dusche und einen groÃen Milchkaffee. Und es gibt eine Sache, die ich definitiv nicht brauche: eine nervige Schwester!
Noch immer im Dämmerzustand stolperte ich quer über den Flur zu den Gemeinschaftsduschen, aus denen verheiÃungsvolles Rauschen erklang. Es gab drei Duschen. Und sie waren alle drei: belegt!
Noch mal Argh!
Ich taumelte zurück in unser Zimmer und bat Juli um einen Aufschub, aber die blieb erbarmungslos: »Drei Minuten und vierzig.«
Also zog ich mir ein frisches T-Shirt zu meinen Jeans von gestern an und kämmte mir mit gespreizten Fingern durch die Haare, bevor ich sie mit einem Haargummi am Hinterkopf zu einem wuscheligen Knoten hochband. Schnell noch in die Sneakers gerutscht und â¦
»Fertig.«
»Schön wie der junge Morgen«, ätzte Juli.
»Morgan? Ein neuer Verehrer?«, gab ich etwas lahm zurück.
»Nein, der heiÃt
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