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Lovecraft, H. P.

Lovecraft, H. P.

Titel: Lovecraft, H. P. Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Stadt ohne Namen
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drang das dämonische Bellen über das windverwehte Moor, lauter und immer lauter. Am 29. Oktober fanden wir in der weichen Erde unterhalb des Bibliotheksfensters eine Anzahl Fußabdrücke, die unmöglich zu beschreiben sind. Sie waren genauso rätselhaft wie die Scharen großer Fledermäuse, die das alte Herrenhaus in nie gesehener und zunehmender Anzahl heimsuchten.
    Am 18. November erreichte das Grauen einen Höhepunkt, als St. John, nach Einbruch der Dunkelheit auf dem Heimweg von der trostlosen Bahnstation, von einem gräßlichen, fleischfressenden Wesen ergriffen und in Fetzen gerissen wurde. Seine Schreie waren bis zum Haus gedrungen, und ich war zu dem schrecklichen Schauplatz geeilt, gerade noch rechtzeitig um Flügelschwirren zu hören und ein unbestimmbares schwarzes Etwas sich gegen den aufgehenden Mond abheben zu sehen.
    Mein Freund lag im Sterben, als ich ihn ansprach, aber er konnte nur unzusammenhängend antworten. Alles, was er fertigbrachte, war, zu flüstern,
    »Das Amulett − das verdammte Ding −.«
    Dann brach er zusammen, eine bewegungslose Masse zerrissenen Fleisches.
    Ich begrub ihn zur nächsten Mitternacht in einem unserer vernachlässigten Gärten und murmelte über seinem Leichnam einige der teuflischen Riten, die er im Leben so gern gehabt hatte. Und als ich den letzten der dämonischen Sätze aussprach, hörte ich von ferne auf dem Moor das schwache Bellen eines rie−sigen Hundes. Der Mond stand am Himmel, aber ich wagte nicht, zu ihm aufzusehen. Und als ich auf dem schwach beleuchteten Moor einen großen, nebelhaften Schatten von Hügel zu Hügel huschen sah, schloß ich die Augen und warf mich mit dem Gesicht nach unten zu Boden. Als ich mich, wieviel später, weiß ich nicht, zitternd erhob, wankte ich ins Haus zurück und brachte dem im Schrein eingeschlossenen grünen Jade−Amulett eine schockierende Verehrung dar.
    Da ich mich nicht traute, in dem einsamen Haus im Moor allein zu leben, reiste ich am nächsten Tage nach London. Ich nahm das Amulett mit, nachdem ich die übrige gotteslästerliche Sammlung im Museum teils verbrannt, teils vergraben hatte. Aber nach drei Nächten hörte ich das Bellen erneut, und ehe eine Woche herum war, fühlte ich seltsame Augen auf mich gerichtet, wenn immer es dunkel war. Als ich eines abends das Victoria Embankment entlangschlenderte, um dringend benötigte frische Luft zu schöpfen, sah ich einen schwarzen Schatten den Widerschein einer Lampe im Wasser verdunkeln.
    Ein Wind, stärker als der Nachtwind, fegte vorbei, und ich wußte, daß das, was St. John zugestoßen war, auch mir bald passieren würde.
    Am nächsten Tag wickelte ich das grüne Jade−Amulett sorgfältig ein und nahm ein Schiff nach Holland. Welche Art von Vergebung ich erlangen würde, wenn ich das Ding seinem stummen, schlafenden Besitzer zurückbrächte, wußte ich nicht, aber ich fühlte, ich müsse jeden nur möglichen vernünftigen Schritt tun.
    Was der Hund war und warum er mich verfolgt hatte, waren noch unbestimmbare Fragen; aber ich hatte das Bellen zum erstenmal in dem alten Friedhof gehört, und jedes darauffolgende Ereignis, einschließlich St. Johns sterbenden Flüsterns, hatte dazu beigetragen, den Fluch mit der Entwendung des Amuletts in Verbindung zu bringen. Infolgedessen versank ich in abgrundtiefe Verzweiflung, als ich in einem Gasthof in Rotterdam entdeckte, daß Diebe mich des einzigen Erlösungsmittels beraubt hatten.

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    Das Bellen war an diesem Abend sehr laut, und in der Frühe las ich von einer schrecklichen Untat im verrufensten Viertel der Stadt. Der Mob war verschreckt, denn roter Tod hatte eine übelbeleumundete Behausung befallen, schlimmer als die scheußlichsten vorangegangenen Verbrechen in dieser Nachbarschaft. In einer schmutzigen Diebeshöhle war eine ganze Familie von einem unbekannten Wesen, das keine Spuren hinterließ, in Stücke gerissen worden, und die in der Umgebung Wohnenden hatten die ganze Nacht einen schwachen, tiefen andauernden Ton wie von einem riesigen Hund gehört.
    So stand ich nun endlich wieder in dem heruntergekommenen Friedhof, wo ein bleicher Mond schreckliche Schatten warf, die blattlosen Bäume sich düster dem verwitterten, gefrorenen Gras und den geborstenen Grabplatten zuneigten, die efeuumrankte Kirche reckte einen herausfordernden Finger zum unfreundlichen Himmel empor, und der Nachtwind heulte wie wild von den gefrorenen Sümpfen und der eisigen See herüber. Das Bellen war nur noch schwach, um ganz

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