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Lucian

Lucian

Titel: Lucian Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Isabel Abedi
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Romantisches.«
    »Nacht, Spatz«, sagte ich. Ich drehte mich zu dem Vogelbauer um. Mittlerweile hatte auch John Boy seinen Schnabel unter den Flügel gesteckt. Seine weichen Federn waren aufgeplustert und sein Brustkorb hob und senkte sich in einem wiegenden Rhythmus. »Gute Nacht, John Boy. Gute Nacht, Jim Bob.«
    Spatz winkte abwesend und Janne lächelte mich an.
    »Gute Nacht, Wölfchen. Träum was Schönes.«
    Als ich mir in meinem Zimmer die Kleider abstreifte, merkte ich, dass ich noch immer den kleinen Bären in der Hand hielt. Ich nahm ihn mit ins Bett und löschte das Licht. Das seltsame Gefühl in meiner Brust war immer noch da. Ich konnte es nicht richtig zuordnen, ich wusste nur, dass es von einer Minute auf die andere gekommen war.
    Mein Zimmer lag im ersten Stock. Ich hörte Schritte über mir, die lauten von Janne, die trippelnden von Spatz, und auch der Regen hatte nicht nachgelassen. Er trommelte gegen die Scheibe. Dieses Geräusch liebte ich, genauso wie den Augenblick des Einschlafens. Die magischen Sekunden, in denen wir in die andere Wirklichkeit wechseln, hatte ich schon immer als etwas Besonderes empfunden. Manchmal fühlte es sich an wie ein Fallen, manchmal wie ein Sinken, aber heute kam es mir vor, als zerrte der Schlaf mit groben, ungeduldigenFingern an mir. Irgendwo in der Ferne dröhnte eine Schiffssirene, dann war ich weg.
    Der Traum überfiel mich wie die Wirkung einer zu starken Droge. Ich lag in einem Raum, auf einem plüschigen dunkelgrünen Teppich. Die Wände waren mit Holz verkleidet, da war ein Bett mit einer geblümten Tagesdecke, darüber hing ein Bild von einer grauenhaft kitschigen Berglandschaft. Über meinem Kopf waberte ein Kronleuchter und neben mir lagen Scherben. Sie waren überall, auf meinem Bauch, meinen Händen. Es roch metallisch süß und ich stellte entsetzt fest, dass es Blut war.
    Mein Blut? Ich rang nach Atem, aber in dem Raum war keine Luft oder vielleicht war in mir keine Luft, ich japste, stöhnte, wollte mich bewegen, konnte mich aber nicht rühren, nicht mal meine Finger gehorchten mir.
    Wo war ich? Ich kannte diesen Raum nicht. Was machte ich hier? War ich allein? Nein, da war jemand, ich fühlte es, aber ich konnte kein Gesicht erkennen. Bitte. Bitte nicht . . . bitte . . . lass mich nicht . . .
    Selbst die Worte fühlten sich an wie Scherben, kalt und scharf und Angst einflößend. Jetzt erst merkte ich, dass ich um mein Leben bettelte. Der Raum, fremd, hässlich und unpersönlich, dehnte sich aus und dann schrumpfte er zusammen, immer dichter rückten mir die Wände auf den Leib. Mir wurde kalt und es stank nach Schweiß.
    Ich wachte von meinem eigenen Schrei auf.
    Vor mir saß meine Mutter, sie hielt mich im Arm und strich mir das Haar aus der Stirn. Ich war nass geschwitzt, wie durch eine Nebelwand hörte ich Jannes Murmeln: »Wölfchen, du hast geträumt. Hey. Alles ist gut. Es ist vorbei.«
    Ich rang nach Luft. Nein. Nein! Es war nicht vorbei. Ich sah mich im Zimmer um, in meinem Zimmer, das so vertraut war. Wie um sicherzugehen, tasteten meine Augen alles ab. Den schwarzen Sitzsack. Die Trophäen meiner Schwimmwettkämpfe auf den Regalflächen. Den knallroten Bonbonspender, den Sebastian für mich mit Smarties bestückt hatte. Mein Schreibtisch mit Dads altem Apple, an der Wand das große Blechschild, auf dem eine Frau aus den Fünfzigern die Ärmel ihres blauen Overalls umkrempelte. We Can Do It stand in großen Lettern darüber.
    Okay, das hier war wirklich mein Zimmer und neben mir saß meine Mutter, die beruhigend auf mich einsprach, als wäre ich ein kleines Kind. Ich roch ihr Parfüm, es mischte sich mit der Wärme ihrer Haut. Aber warum hörte mein Herz nicht auf zu rasen? Mir wurde fast schlecht von dem Geruch meines eigenen Schweißes. Etwas hatte sich in meine Brust gekrallt. Wie eine eiserne Hand fühlte es sich an und es schnürte mir die Luft ab. Die Angst, nicht atmen zu können, wurde so übermächtig, dass ich immer hektischer nach Luft rang. Ich fühlte meine Hände nicht mehr und Jannes Gesicht war so bizarr weit weg, obwohl sie doch direkt vor mir saß.
    »Rebecca? Rebecca . . .«
    Ich versuchte, mich auf Jannes Stimme zu konzentrieren, aber auch ihre Worte klangen wie aus der Ferne an mein Ohr.
    » . . . Schatz, hör mir zu . . .«
    Ich bemühte mich krampfhaft, ich öffnete den Mund, aber ich konnte nicht antworten.
    »Okay, Rebecca.« Jannes Stimme war lauter geworden, professioneller, aber immer noch ruhig. »Ich möchte,

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