Lügenbeichte
dann mit ihr verwechselt? – Seltsam. Auf jeden Fall schien sie Professor Schaunmann zu kennen, so wie sie sich ausgedrückt hatte, nachdem Josi ihr von der Party erzählt hatte. Jetzt, im Nachhinein, hatte Josi das Gefühl, dass das Mädchen sowieso etwas orientierungslos war, aufgeregt, irgendwie neben der Spur und in so einem Aufzug unterwegs war, obwohl es wie aus Eimern schüttete. Wenn Max nicht oben gewesen wäre, hätte Josi sie bestimmt ins Haus gebeten, um dort den Schauer abzuwarten. So hatte sie ihr nur Marinas Regenmantel gegeben.
»Das ist total nett …«, hatte sie noch gesagt und gezögert, dann den Mantel aber doch angezogen.
»Kein Problem. Können Sie Marina ja gleich wiedergeben«, hatte Josi noch gesagt, weil sie annahm, dass das Mädchen auch zur Schaunmann-Party ging.
12:03
»Sie kennen diese Person?«, hörte sie Herrn Werners Stimme. Sie bohrte sich durch ihre Haut. Josi schluckte.
»Ja. Sie kam gestern vorbei.«
»Wie vorbei?«, fragte Thomas und griff nach ihrem Arm. Er drückte zu fest. Es tat ihr weh, aber sie konnte den Arm nicht wegziehen.
»Sie kam gestern Abend – ihr wart schon eine Weile weg. Es schüttete. Sie wollte zu euch.«
Thomas ließ ihren Arm los.
»Wann war das genau?«, fragte Herr Werner.
»Ich weiß nicht, so gegen elf. Sie wollte meinen Vater sprechen. Ich sagte, er sei mit Marina auf dieser Party, bei Schaunmanns, an der Schwanenhorsterstraße.«
»Das war alles?«
»Ja.«
»Wollte sie zur Party?«
»Ich glaube schon.«
»Was heißt ›glauben‹?«
»Ich nahm es an, weil sie so …«
»Ja?!«
»… so partymäßig angezogen war.«
Josis Handy klingelte.
»Nicht jetzt!«, sagte Herr Werner scharf. Sie drückte Max weg.
»Und dann ist sie gegangen, bei dem Regen?«
»Ja. Sie hatte es irgendwie eilig.«
Herr Werner legte den Kopf schräg. »Oder hattest du es besonders eilig, sie loszuwerden? Schließlich wartete dein Freund in deinem …«
Josi hielt die Luft an.
»… Zimmer«, sagte Herr Werner.
Wenn er »Bett« gesagt hätte, wäre Josi ausgeklinkt, sie konnte sich auch so kaum noch beherrschen, seinen Ton nicht ertragen, seinen Anblick – diese ekelhafte Strickjacke, bei der es sie schon juckte, nur vom Angucken. Was wollte er eigentlich? Ihr Schuldgefühle einreden, weil sie der Frau gestern nur einen Regenmantel angeboten hatte, anstatt sie ins Haus zu bitten?
»Kam dir das denn nicht komisch vor?«, hörte sie Herrn Werners schnarrende Stimme.
»Doch, natürlich! Ich fand es doch auch seltsam, dass sie bei dem Regen unterwegs war. Und dass sie so aufgerüscht war.«
»Wie bitte?«
»Hab ich doch schon gesagt. Partymäßig angezogen. Stark geschminkt, dünnes Kleid, hohe Schuhe.«
»Was, sie trug Schuhe?«
»Ja, die Schuhe sind mir gleich aufgefallen. Ich könnte niemals auf solchen Dingern laufen. Rote Riemchensandalen mit Bleistiftabsatz.« Josi schaute Marina an und verkniff sich zu sagen, dass es genau solche High Heels waren, wie sie Marina auch ständig trug.
»Was wollte diese Frau denn von dir, Thomas?«, fragte Marina. Thomas zuckte die Schultern und schaute in den Garten, als gäbe es dort etwas Interessantes. Er kaute wieder auf den Backenzähnen herum. Das hatte Josi schon lange nicht mehr bei ihm gesehen. In der Zeit, als er sich von Barbara trennte, hatte er oft mit den Backenzähnen gemahlen. Mittlerweile wusste Josi, dass das seine Art war, höchste Anspannung unter Kontrolle zu kriegen.
Herr Werner schien von seiner Unruhe nichts zu merken. Er wunderte sich noch immer über die Schuhe.
»Und dann?«, bohrte er weiter.
»Ich habe ihr erst einen Schirm angeboten, aber dann habe ich gesehen, dass keiner mehr da war. Mein Vater hatte ihn mitgenommen, es hieß ja schon den ganzen Tag, dass es abends regnen sollte.« – Wenn HerrWerner so penetrant war, dann interessierte ihn bestimmt auch das Wetter. »Also habe ich ihr Marinas Regenmantel gegeben.«
»Sie ist in meinem Regenmantel ermordet worden?«, kreischte Marina auf.
»Ja.«
»Das ist ja entsetzlich!«
Herr Werner ignorierte Marinas Bemerkung, er ließ seinen Blick nicht von Josi, kniff die Augen zusammen und legte den Kopf wieder so schräg. Er hatte wirklich etwas von einer Echse, dachte Josi, auch die fahle Gesichtsfarbe und die Art, wie er ruckartig den Kopf bewegte. Nur schwitzten Echsen nicht so.
»Und dann ist sie gegangen, durch den Regen, mit Frau Herzbergs Regenmantel?«
Josi nickte. Schön, dass der Herr Hauptkommissar das endlich
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