Das Weihnachtshaus
ERSTES KAPITEL
Silberne Kugeln hüpften und klimperten fröhlich, als der Nordwind in den immergrünen Kranz an der schweren Holztür fuhr. Darüber schwang ein bemaltes Schild an zwei Metallbügeln hin und her und verkündete den Namen des Geschäftes: Tea Cosy .
Als ich durch das dicke Glas des Fensters ins Innere schaute, konnte ich ein munteres Feuer im Kamin brennen sehen. Die Tische waren immer für zwei gedeckt, mit Tassen auf roten Tischtüchern. Girlanden aus grünen Ranken schmückten den Kaminsims. Im Raum verteilt, auf den Tischen und auf den Regalen, brannte etwa ein Dutzend rote Kerzen, und jede der kleinen, flackernden Flammen versprach Wärme und Trost und lud mich ein, hereinzukommen.
Ein noch heftigerer Windstoß fuhr durch die Gasse und nahm mir den Atem in dieser dunklen Dezembernacht.
Diese Reise war ein Fehler. Ein großer Fehler. Was habe ich mir nur dabei gedacht?
Ich kannte die Antwort, doch da wurde sie auch schon vom höhnischen Wind davongetragen. Die Antwort war: Ich dachte nicht nach. Ich folgte meinem Gefühl.
Ein Gefühl hatte mich letzten Freitag dazu bewogen, die Reise nach London zu buchen. Blinder Eifer hatte mich überzeugt, dass ich im Carlton-Fotostudio in der Bexley Lane eine Antwort auf die Frage bekommen würde, die mich seit zwanzig Jahren quälte.
Leider hatte ich mich geirrt. Ich war den ganzen Weg hierhergekommen, nur um in einer Sackgasse zu landen.
Noch einmal blickte ich in das Teehaus und sagte mir, dass ich weitergehen sollte, zurück zum Bahnhof, zurück nach London in mein Hotel, wo ich mein Gepäck gelassen hatte. Dieser sinnlose Abstecher war zu Ende. Ich sollte mein Ticket umbuchen und am Morgen nach San Francisco zurückfliegen.
Doch meine kalten und müden Füße gehorchten nicht. Sie wollten hineingehen und sich am Feuer aufwärmen. Ich konnte nicht bestreiten, dass meine Füße ein wenig Zuwendung verdient hatten, nach allem, was ich ihnen zugemutet hatte, als ich den letzten Platz in der zweiten Klasse ergattert hatte. Den mittleren Sitz in der Nähe der Toiletten, in einer Reihe, deren Sitze sich nicht zurückstellen ließen. Eine Tasse Tee wäre in diesem Moment die einzig angenehme Erinnerung, die mir von diesem Fiasko bleiben würde.
Ich griff nach der eigenartig geformten Türklinke und trat ein. Wieder klimperten die silbernen Kugeln leise.
«Nur herein, nur herein, und lerne mich besser kennen!» Diese unerwartete Begrüßung kam von einem Mann, der einen Kilt trug und ein kühnes Gesicht hatte. Sein ausgeprägter Backenbart sah aus wie weiße Lammwolle und ließ sein Kinn ein wenig weicher erscheinen. «Haben Sie Schnee mitgebracht?»
«Schnee?», wiederholte ich.
«Ja, Schnee. Es ist kalt genug für Schnee, meinen Sie nicht auch?»
Ich nickte zögernd und bemerkte, dass meine Nase und meine Wangen sich in der Wärme röteten. Vermutlich war dieser Herr der Eigentümer. Ich schaute mich um und fragte: «Ist es in Ordnung, wenn ich den Tisch am Kamin nehme? Ich hätte gern nur eine Tasse Tee.»
«Natürlich, warum nicht», erwiderte er. «Katharine!» Er wartete auf eine Antwort und versuchte es dann noch einmal. «Katharine!»
Keine Antwort.
«Sie muss nach oben gegangen sein. Sie wird gleich wiederkommen.» Sein Grinsen war einnehmend, sein Blick heiter. «Ich würde den Kessel ja selber aufsetzen, wenn ich nicht los müsste.»
«Das ist schon in Ordnung. Ich warte gern.»
«Natürlich warten Sie gern. Eine junge Frau wie Sie hat doch Zeit, zu warten, oder? Während so jemand wie ich …» Er kam etwas näher und zwinkerte mir vertraulich zu. «Ich bin der Geist dieser Weihnacht, müssen Sie wissen. Ich kann nicht warten.»
Was für ein Geist er zu sein glaubte und für wen, das war mir nicht klar.
Mit einem Nicken zog der Mann die schwere Tür auf und trat in die frostige Luft hinaus.
Kurz darauf kam eine bemerkenswerte Frau die schmalen Stufen herunter. Sie war bei meinem Anblick ebenso überrascht wie ich bei ihrem. Sie trug ein umwerfendes rotes Abendkleid, eine schimmernde silberne Halskette und passende Ohrringe, die unter ihrem dunklen Haar glitzerten. Sie war groß, stand sehr gerade da und legte den Kopf leicht schief, während sie darauf wartete, dass ich etwas sagte.
«Äh, ich war mir nicht sicher, ob Sie noch offen haben», stotterte ich.
«Ja, an einem normalen Tag hätten wir noch ein Weilchen offen, bis halb sechs …» Ihre Stimme verklang.
«Halb sechs», wiederholte ich und blickte auf meine Uhr. Die
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