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Lügenbeichte

Lügenbeichte

Titel: Lügenbeichte Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Beate Dölling
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den Kindergarten. Lou schaute aus dem Fenster und summte. Er war wieder da, dafür war Thomas weg und stand unter dringendem Mordverdacht, weil er ein Motiv hatte, nachdem Herr Werner herausgefundenhatte, dass Lilli Sander ihn am Samstagabend vor seiner Frau bloßstellen wollte. Klar war das nicht gerade die feine Art, per SMS mit jemandem Schluss zu machen, aber deswegen zerstörte man doch keine Familie!
    Hatte Thomas sie etwa auf der Party getroffen? War er vielleicht gerade draußen, am rauchen, und sie tauchte auf? Wahrscheinlich hat sie ihn dann angeschrien, was für ein Mistkerl er sei – so wie Marina ihn angeschrien hatte und Mama, vor langer Zeit. Die Bilder vor Josis Augen verselbstständigten sich: Sie sah Papa mit Lilli streiten, er packt sie an den Armen, sie schreit, schlägt nach ihm, sie kämpfen. Dann hält er ihr den Mund zu, sie geht zu Boden – er schleift sie weg …
    Josi riss sich einen Fingernagel ein. So ein Blödsinn! Papa war doch gar nicht fähig, jemandem körperlich wehzutun. Er hatte noch nie geschlagen. Seine Waffe waren die Wörter. Aber verbal konnte man niemanden ersticken. Und warum sollte er eine Leiche von Schaunmanns bis zum Trampelpfad neben seinem Garten schleppen? Und dann auf dem Rückweg noch zwei Zigaretten an der Bushaltestelle rauchen? Dann hätte er Lilli besser in das Waldstückchen am Hirschhorner Weg gelegt.
    Der Fingernagel riss tiefer ein. Es tat weh. Ihr Herz pochte in den Schläfen. Sie sehnte sich plötzlich nach Papas weicher Hand, sah sich, mit geschlossenen Augen, wie sie sich in die Hand geschmiegt hatte, seinen Atem im Nacken. »Meine Kleine«, flüsterte er ihr ins Ohr und küsste ihr Haar.
    Aber Papa war nicht da. Und sie war schon langenicht mehr »seine Kleine«. Wo war ihr Papa geblieben? Was war mit ihm passiert? Wahrscheinlich saß er gerade in einem sterilen Raum an einem sterilen Tisch und wurde verhört. Was wohl dabei herauskommen würde?
    Wie schnell man für etwas verdächtigt werden konnte, auch wenn es noch so absurd war. Und wie gut, dass es wenigstens in Deutschland keine Todesstrafe gab. In den USA wurde man bei Mord hingerichtet. Auch wenn man unschuldig verurteilt wurde. Was, wenn Papa unschuldig verurteilt wurde? Jahrelang eingesperrt zu sein, war auch eine Tortur.
    Wie konnte sie Papa nur entlasten? Er war doch kein Mörder, nur weil er gelogen hatte. Er war doch ihr Vater!
    Sie riss das Stück vom Fingernagel ab. Es brannte höllisch, ihr Finger blutete. Sie steckte ihn in den Mund. Das brannte noch mehr. Sie musste den alten Mann finden, bei dem Lou gewesen war, der, der Absätze von Stöckelschuhen absägte. Irgendwie hatte er mit der Sache zu tun. Was, das würde sie schon herausfinden. Und dann konnte sie Papa hoffentlich entlasten.
    Josi bemerkte Marinas verquollene Augen. »Bist du okay?«, fragte sie.
    Josi nahm ihren Finger aus dem Mund und nickte. »Und du?«
    »Ich bin auch okay«, rief Lou von hinten und grinste.

Wer aber die Wahrheit tut, der kommt zu dem Licht, damit offenbar wird, dass seine Werke in Gott getan sind.
9:14
    Lou war im Kindergarten begrüßt worden, als wäre er nie weg gewesen. Es waren ja auch nur zwei Tage. Zwei Tage, die Josi jedoch wie eine Ewigkeit vorgekommen waren und alles verändert hatten.
    Sie fuhr mit Marina zurück und schaute hinaus. Die Häuser waren zwar dieselben, aber sie wirkten anders, als lauerte etwas Unheimliches, Grausames hinter den Fassaden. Die Angst, die sie um Lou gehabt hatte, ließ sich nicht einfach vergessen, sie steckte ihr tief in den Knochen. Und dann noch die Leiche und die Verhaftung ihres Vaters! Von heute auf morgen war nichts mehr, wie es war, und würde auch nie mehr so unbefangen sein.
    »Komm«, unterbrach Marina ihre düsteren Gedanken. »Lass uns in ein Café gehen. Ich kann das leere Haus jetzt nicht ertragen.«
    Sie fuhren ins Café Kirsch, am Nikolassee, und setzten sich in den Garten, unter eine Kastanie.
    »Warst du dabei, als sie ihn … verhaftet haben?«
    »Ja«, sagte Josi.
    »Ist er in Handschellen abgeführt worden?«
    »Nein.«
    »Und was hat er gesagt?«
    »Dass alles ein Missverständnis sei.«
    »Glaubst du das auch?« Marina sah Josi in die Augen, als hoffte sie, dort die Wahrheit zu entdecken.
    Die Bedienung kam, eine schlanke Frau in rosa Clogs und weißer Schürze. Marina bestellte einen doppelten Espresso und Josi einen Milchkaffee. »Und zweimal Frühstück!«, rief Marina der Bedienung noch hinterher. Josi wollte sagen, sie habe

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