Luegenbeichte
Salbe draufgetan. Ist okay.«
»Meine arme kleine Josi …«, flüsterte er und strich ihr eine Haarsträhne hinters Ohr, dann griff er nach ihrer Hand. Sie zog die Hand weg. Irgendwie passte seine Fürsorge nicht hierher, auch nicht seine Küsse. Das gehörte alles in die andere Welt, in der es einen Lou gab.
Sein Gesicht verfinsterte sich. »Die Polizei hat mich vor der Schule abgefangen. Ich war gerade aufs Rad gestiegen und um die Ecke, da haben sie mich angehalten.Ich musste mich auf die Rückbank setzen, neben diesem Krückentypen. Und dann hat der mich gelöchert. Hat mich andauernd gefragt, ob ich Lilli Sander gekannt habe.«
»Und du kanntest sie wirklich nicht?«
»Nein, woher denn? – Warum fragst du mich das?«
Josi schaute auf ihren Fuß. Er pochte. Thomas hatte auch gesagt, er würde Lilli Sander nicht kennen.
»Ich weiß echt nicht, warum die mich verdächtigen!«
Plötzlich tauchten Bilder vor ihr auf: Max mit Lilli, lachend, im Regen, er mit rotem, lippenstiftverschmiertem Mund.
Josi stolperte. Er hielt sie.
»Scheißgefühl, verdächtigt zu werden«, sagte er. »Sie haben eine DNA-Probe von mir genommen, mit dem Wattestäbchen, aus dem Mund.«
»Wieso das denn?«
»Weil sie Kippen in der Nähe der Toten gefunden haben.«
»Deine Kippen?«
»Natürlich nicht! Ich war ja nicht in der Nähe der Toten!«
Max tippte sich an die Stirn. »Ein Mörder raucht doch nicht neben der Toten und lässt dann noch die Kippen liegen. Ich kann dir sagen, es ist ganz schön erniedrigend, wenn sie dir mit einem Wattestäbchen im Mund herumstochern.«
»Du hast auf meinem Balkon geraucht«, hörte sie sich sagen. »Was hast du mit der Kippe gemacht?«
»Weggeschnippt.« Er schaute sie an. »Sorry. Das ist eine schlechte Angewohnheit von mir, aber …«
»Die wirst du ja kaum bis zum Trampelpfad geschnippt haben.«
»Natürlich nicht! Anscheinend überprüfen sie jetzt alle Raucher. Deinen Vater bestimmt auch, oder?«
»Thomas?«
Josi war, als hätte man ihr etwas Kaltes in den Nacken geschüttet.
»Diesem Werner könnte ich wirklich die Fresse polieren. Der hat eine Art, mit einem zu reden, da kommt man sich vor wie …«
Max wurde zu laut. Es gefiel ihr auch nicht, wie er eine Hand zur Faust ballte und in die andere boxte, dass es klatschte. Sie mochte Jungs mit diesen Drohgebärden und einer großen Klappe noch nie.
»Ich kann das nicht hören!« Sie hielt sich die Ohren zu.
»Josi. Sorry. Komm her, meine Süße.« Im Nu hatte er seine Arme um sie geschlungen. Sie machte sich los.
»Es tut mir leid«, sagte Max. »Aber ich bin so … ich weiß auch nicht … so gereizt. Es ist ein Scheißgefühl, verdächtigt zu werden. Erst der Kindesentführung, jetzt des Mordes. Ich habe echt nichts vorzuwerfen, aber dieser Wagner kann einen echt zur Raserei bringen …«
Josi verkniff es sich dieses Mal, »Werner« zu sagen. Sie schaute auf ihren Fuß.
»Das ist doch alles völlig aus der Luft gegriffen, Max.«
»Ja genau. Das ist es. Gut, dass du das sagst! Kannst du noch ein Stück laufen?«
»Es geht.« Er legte einen Arm um ihre Taille und stützte sie. Er zog sie an sich, aber sie wollte ihn jetzt nicht küssen. Ja, dachte sie, Max, mein Max, alles wäre soschön mit uns, wenn nicht … Und dann drängelten sich wieder diese düsteren Gedanken vor wie Regenwolken: Was, wenn Max gar nicht so feinfühlig und zuvorkommend war, wie er tat? Was, wenn er gelogen hatte und gar nicht auf dem Balkon gewesen, sondern zum Rauchen runtergegangen und Lilli zufällig über den Weg gelaufen war? Dieser Lilli, in dem scharfen Kleid mit den tierisch hohen Absätzen … und da war es um ihn geschehen. Tickten Männer nicht so? Warum fiel denn Thomas immer wieder auf solche Stöckeltanten rein?
Und Max? Stand der auch auf so was?
Ihr Magen krampfte sich zusammen. Sie musste diese Gedanken stoppen. – Lilli Sander war doch gar nicht vergewaltigt worden!
Es musste ja auch nicht gleich zum Äußersten kommen, bohrte die düstere Stimme in ihr weiter. Aber vielleicht wollte man sie vergewaltigen? Schließlich hatte ein Kampf stattgefunden. Lilli Sander hatte mehrere Blutergüsse an den Armen – eindeutige Spuren eines Kampfes.
Max – ein Mörder?
Das war doch total absurd! Aber eine Leiche in den Brennnesseln neben ihrem Haus war auch total absurd. Irgendwie musste sie ja dort hingekommen sein und irgendwo musste es einen geben, der sie umgebracht hatte. Das war doch das Schlimme!
Ihr wurde schwarz vor Augen,
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