Luegenbeichte
stellte er auf zwei Beine. Der Computer sah aus wie eine riesige Mücke, aber das war nur Tarnung, in echt war es ein Spurenfinder, ein SPFI, aber Herr Rufus nannte ihn nur ›Die Mücke‹, weil das einfacher zu merken war …«
Josi musste lachen. Lou konnte noch nicht mal schreiben, warf aber schon mit diesen technischen Abkürzungen um sich, als wäre er der Chef von der CIA persönlich.
»Dem SPFI entging überhaupt nichts!«
Es war wirklich verrückt. Ihr kleiner Bruder quatschte sie mit komplizierten Detektivgeschichten voll und ihr neuer Freund hatte sie einfach überrumpelt und würde gleich vor der Tür stehen.
»Lach nicht, Josi«, sagte Lou und hopste von der Anrichte. »Den SPFI gibt's wirklich.«
»Ich weiß, ich weiß«, sagte sie und schob die Muffins in den Ofen.
Lou wischte sich die Hände an seiner Hose ab und zog Herrn Rufus, einen winzigen roten Plastikroboter, aus der Hosentasche und hielt ihn ihr unter die Nase.
»Los, Herr Rufus, erzähl ihr was über die Mücke. Sie glaubt mir nicht.«
»Doch, Lou, ich glaube dir, aber lass mich jetzt mal. Max kommt gleich vorbei.«
»Wer iss'n das?«
»Mein Freund.«
»Ist der nett zu dir?«
Sie stutzte. »Ja, natürlich, warum denn nicht?« Manchmal war Lou so in seine Geschichten vertieft, dass er in jedem einen Spion oder einen Fiesling sah.
»Max ist ein Guter und er hat auch kein Holzbein.«
»Hat er einen Porsche?«
»Nein, ein Fahrrad.«
»Gar kein Auto? Aber letztes Mal bist du doch mit dem Auto gebracht worden.«
»Ja, aber das war nicht mein Freund.«
»Hast du aber gesagt.«
»Das war ein Freund, aber Max ist mein Freund.« Sie hatte es noch nie so deutlich ausgesprochen. Sie waren ja auch erst seit drei Wochen zusammen.
»Bin ich auch dein Freund?«
»Du bist mein Bruder, Lou.«
»Ich will aber auch dein Freund sein!«
Josi wollte sich noch schnell umziehen. Sie nahm zwei Stufen auf einmal, hörte, wie Lou hinter ihr herkam. Sie ging über die Galerie in ihr Zimmer und ließ die Tür offen. Lou kam auch prompt mit rein und schaute ihr beim Umziehen zu, stand da, musterte sie in ihrem altrosa Spitzen-BH und dem passenden Slip, mit Herrn Rufus in der Hand.
»Zieh doch ein Kleid an«, sagte er.
»Nein. Kein Kleid.«
Sie zog eine helle Jeans aus einem Klamottenstapel auf ihrem Stuhl, nahm das hellblaue Top. Hellblau passte gut zu ihren blaugrauen Augen und den langendunkelbraunen Haaren. Sie stellte sich vor den Spiegel. Die Haare würde sie offen lassen.
»Du siehst schön aus«, sagte Lou und lächelte. »Das findet Herr Rufus auch.« Er war schon ein kleiner Charmeur, ihr Bruder.
21:59
Es klingelte an der Tür.
»Ich mach auf!« Lou stürmte aus ihrem Zimmer, über die Galerie, die Treppe runter, durch den Flur zur Haustür, riss sie auf.
Max' Haare waren nass. Sein Gesicht glänzte vom Regen. Er strahlte sie schon an, als sie noch auf der Treppe war.
»Hey!« Er nahm sie gleich in die Arme und gab ihr einen Begrüßungskuss auf den Mund. Seine Lippen schmeckten regenfrisch. Er roch nach Zigarettenrauch. Dann sah er Lou an.
»Und wer bist du?«, fragte Max.
»Lou«, sagte Lou und grinste ihn an.
»Regnet es noch?«, fragte Josi.
»Gerade nicht, jedenfalls nicht mehr so doll«, sagte Max und wuschelte sich durch die nassen Haare. »Soll ich die Schuhe ausziehen?«
»Kannst du anlassen«, sagte Josi und schloss die Haustür hinter ihm. Es grummelte in der Ferne.
Lou ging neben Josi, die Hände in den Hosentaschen und den Kopf im Nacken. Er begutachtete Max kritisch.
»Warum hast du denn kein Auto?«
»ôh, ich habe ein Fahrrad.«
»Ein Mountainbike?«
»Nö.«
»Nö sagt man nicht«, sagte Lou. »Das heißt ›nein‹.«
»Wie alt bist du eigentlich?«, fragte Max.
»Fünf«, sagte Lou. Er streckte fünf Finger aus. »Und du?«
»Neunzehn. Das ist zweimal beide Hände, minus eins.« Max streckte seine zehn Finger aus und versteckte einen Daumen.
»Ich weiß, wie alt das ist«, sagte Lou. »Ich kann schon bis Fünfzig zählen.«
22:03
Sie gingen ins Wohnzimmer. Max hatte sein cooles, grünes T-Shirt an, das mit dem ATARI-Logo. Lou hopste auf den Polstern herum und zählte bis Fünfzig. Max schaute sich um. Er war noch nie hier gewesen. Josi sah, dass ihm das große Wohnzimmer gefiel, mit der cremefarbenen Sofalandschaft, dem dunklen Granitboden, dem Kamin und der Glaswand zur Terrasse. Sie hatte die champagnerfarbenen Vorhänge extra nicht zugezogen, damit er noch in den Garten gucken konnte. Es war noch
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