Luegenprinzessin
Frage erkundigt hatte. (Den Grund wusste ich ja selbst nicht so genau.) Eins sechsundachtzig, hatte er geantwortet und sich nicht weiter um mich gekümmert.
Er war breiter geworden, fand ich. Muskulöser. Die Sonnenbrille, die er neuerdings trug – nicht auf der Nase, sondern im dunkelblonden Haar –, ließ ihn noch erwachsener erscheinen. Ganz ehrlich, wer brauchte schon Robert Pattinson oder einen der Gossip-Girl- Kerle, wenn man mit David in eine Klasse ging?
Ich war so in seinen Anblick vertieft, dass ich beinahe vergessen hätte, rechtzeitig abzubiegen. Mein Fahrrad wartete nämlich in einer Quergasse hinter einer Tranche Mülltonnen auf mich. Ich sprintete dorthin, zog meinen heiß geliebten Drahtesel hervor, schwang mich auf den Sattel, bog nach rechts ab und sauste die Parallelstraße hinunter, schwenkte erneut nach rechts und bog schließlich wieder in die Gasse zur Schule ein. Ich beugte mich nach vorne und radelte bergauf, während David, mittlerweile in Begleitung seiner Kumpels, dieselbe Gasse von oben runterkam. Vor dem Schulgelände wartete meine Clique auf mich. Vero, Diana, Felix und Chris. Als ich ihre Blicke sah, wurde mir siedend heiß bewusst, dass ich vergessen hatte, mich vom Schlamm zu befreien. Der Matsch an meiner Jeans hatte sich auf Kniehöhe derart durch den Stoff gefressen, dass ich plötzlich zu frösteln begann. Meine Hände waren verklebt und Vero fing gleich an, an meiner rechten Wange herumzufummeln. Matsch, nahm ich an.
»Autsch«, machte Chris.
»Hast du dir wehgetan?«, fragte Vero.
»Nein«, ich winkte ab, »ich hab die Abkürzung durch die Wiese genommen. Ein Fehler, wie man sieht.«
Diana runzelte die Stirn. Scheiße, ich wusste, was jetzt kommen würde, Diana war nämlich akribisch pingelig in solchen Dingen. »Wo, auf deinem Schulweg, kommst du denn an einer Wiese vorbei?«
»Na ja, dann war’s halt keine Abkürzung, sondern ein Umweg. Ich bin ein bisschen herumgeradelt.«
»In aller Herrgottsfrühe?«
»Darum warst du schon weg!« In Veros Stimme schwang ein Hauch von Vorwurf mit. »Um halb acht hab ich bei dir geklingelt, da hat dein Vater mir gesagt, dass du schon eine Viertelstunde außer Haus bist.«
»Und deswegen wirst du jetzt der Inquisition vorgeführt«, erklärte Felix und legte den Arm um mich. Zu den anderen Mädels sagte er: »Macht doch nicht so einen Stress zu so früher Morgenstunde.«
»Ich hab mir nur Sorgen gemacht.« Jetzt klang Vero eingeschnappt.
Diana fügte hinzu: »Du machst einfach verdächtig viele Extratouren in letzter Zeit, Mia.«
»Buhuu«, machte Felix. »Wir glauben, dass du uns betrügst und dass du auf einmal andere Kinder viel lieber hast als uns. Buhuuuu.«
»Vollidiot!« Diana boxte ihn in die Rippen, wirkte aber nicht ernsthaft sauer.
Letzte Stunde, Englisch. Mr Bean stellte Fragen zu der CD, die er uns grade vorgespielt hatte. Ich hingegen stellte mir die Frage, warum ich mich immer in Typen verlieben musste, die mich nicht wollten.
Gleichzeitig schielte ich nach links, um einen Blick auf David zu erhaschen, dessen Pult nur durch den Mittelgang von meinem getrennt war.
Plötzlich wandte er den Kopf in meine Richtung. Ich zuckte zusammen und senkte den Blick blitzschnell auf mein geöffnetes Englischbuch. Ich starrte die Seiten dermaßen konzentriert an, dass die Buchstaben vor meinen Augen verschwammen. Was jetzt? Sollte ich es wagen, noch mal zu ihm hinzuschauen? Ja! Ich musste einfach wissen, ob er mich immer noch ansah.
Betont gelangweilt – wobei ich versuchte, möglichst attraktiv dabei auszusehen – ließ ich meinen Rücken gegen die Lehne plumpsen und drehte den Kopf erst uninteressiert nach rechts und anschließend noch viel uninteressierter nach links.
Das Adrenalin schoss mir in die Adern, als ich sein Lächeln sah. Das galt mir! Und jetzt zwinkerte er mir auch noch zu. Ich konnte nicht anders, als ganz doof zu grinsen. Ich war sicher knallrot im Gesicht, aber was machte das schon? Er mochte mich also doch. Das war das Einzige, was zählte.
Als er sich nun auch noch quer über den Gang zu mir lehnte und mir einen zusammengefalteten Zettel in die Hand drückte, konnte ich mein Glück gar nicht mehr fassen.
»Für Joe«, flüsterte er.
Ich spürte, wie mir sämtliche Gesichtszüge entgleisten. Shit, verdammter! Hätte mir doch klar sein müssen, dass er nicht mit mir flirtet, sondern natürlich mit der Neuen, die neben mir saß, und mit ihren High Heels und ihrem Riesenbusen aussah wie
Weitere Kostenlose Bücher