Lumpenloretta
schon zur Tür draußen gewesen. Die Glatze-Mutter hat hinter ihm her gejammert: „Und wenn du mir krank wirst, kann ich dich gesund pflegen!“ Aber das hat Glatze nicht mehr gehört. Wegen der Musik von nebenan. Diesmal ohne Text.
Dass sich Glatze die Regen-Montur nicht hat aufschwatzen lassen, ist zu verstehen. Ist ja wohl peinlich genug gewesen, dass die Loretta gesehen hat, wie ihn seine Mutter abführt und ins Haus schubst. Jetzt noch vom Kopf bis zu den Knien in wasserdichtem Goretex anmarschieren, wäre quadratpeinlich gewesen. Wo die Loretta doch bei dem Wetter Slip und Unterhemd für ausreichend gehalten hat.
Ist aber sowieso egal gewesen, wie Glatze angezogen ist, denn die Loretta ist nicht mehr im Garten gewesen. Die Musik hat plötzlich auch aufgehört. Kein Mucks ist aus dem Nachbarhaus gekommen.
EINE HALBE STUNDE HAT SICH Glatze bei den Ribiselstauden herumgetrieben und getan, als suche er etwas im Gras, und hat gehofft, dass die Loretta wieder aus einem Fenster springen wird. Doch dann hat es richtig zu schütten angefangen und geblitzt und gedonnert, und Glatze hat eingesehen, dass es sich nicht lohnt, weiter so zu tun, als suche er etwas im Gras. So ist er ins Haus zurück. Gerechnet hat er damit, dass er sich das totale Gejammer wird anhören müssen.
Ist aber falsch gerechnet gewesen! Während sich Glatze im Garten im Regen herumgedrückt hatte, war sein Vater heimgekommen, und die Glatze-Mutter hat mit ihm zu streiten angefangen. Dass er sofort etwas „unternehmen“ muss, hat sie von ihm verlangt. Weil niemand einen öffentlichen Weg stundenlang mit alter Gramuri verstellen und ohrenbetäubend laut Musik spielen darf!
Aber der Glatze-Vater hat nicht sofort etwas unternehmen wollen. „Jetzt ist doch eh wieder alles ruhig“, hat er gesagt. „Ich kann schwerlich zu ihnen rübergehen und mich aufregen, dass bis vor einer Stunde ihre Musik zu laut war! Und den Gehsteig haben sie auch wieder frei gemacht! Und dass ihr eigener Vorgarten voll altem Berger-Glumpert ist, geht mich gar nichts an! Ich bin ja nicht vom örtlichen Verschönerungsverein. Worüber soll ich mich also beschweren?“
„Dass sich so ein konfliktscheuer Mensch wie du beschweren geht, habe ich sowieso nicht angenommen“, hat die Glatze-Mutter gekeift. „Du sollst der Hausverwaltung einen Brief schreiben, dass sie dem Hausbesitzer schreiben muss, dass er diese Leute kündigen soll! Weil die haben das Haus garantiert nur gemietet! Und ich lasse den Brief von allen anderen in der Siedlung unterschreiben! Da macht jeder mit.“
Der Glatze-Vater hat gemeint, dass seine Frau den Brief, wenn sie ihn für nötig hält, selber schreiben soll. „Aber erst nach dem Essen“, hat er gesagt. „Ich bin am Verhungern! Was gibt es denn Schönes?“
„Käsebrote, und die müsst ihr euch selber machen“, hat die Glatze-Mutter geantwortet. Und erklärt, dass sie nicht kochen hat können, weil sie vom Lärm Migräne hat, und wenn sie Migräne hat, kann sie absolut kein Essen riechen, da wird ihr speiübel. Dann ist sie ins Schlafzimmer gegangen, um sich hinzulegen.
Der Glatze-Vater hat geseufzt und hinter seiner Frau etwas hergemurmelt, was sich nach „So eine hysterische Umurken!“ angehört hat. Glatze hat es jedenfalls so verstanden und als Dank dafür gefragt, ob er die Käsebrote machen soll. Doch sein Vater hat vorgeschlagen, in ein Gasthaus zu fahren und Schnitzel mit Pommes zu essen. Glatze ist einverstanden gewesen. Schnitzel und Pommes bekommt er nämlich daheim nie. Seine Mutter hält alles, was in viel heißem Fett gebacken wird, für ungesund.
Glatze geht alle paar Wochen mit seinem Vater in ein Gasthaus Schnitzel und Pommes essen. Geheim, ohne dass es die Glatze-Mutter merkt! Immer, wenn daheim ein „gesunder Gemüsetag“ zur Entschlackung angesagt ist. Dann würgen sie brav eine kleine Portion vom Gemüsegatsch runter und erklären nachher, dass sie jetzt ordentlich viel Bewegung brauchen, weil Gemüse bei ihnen leider qualvolle Blähungen erzeugt und sie sich die Furze rauslaufen müssen!
Glatzes Vater beschummelt die Glatze-Mutter oft. Weil er der Ansicht ist, dass Schummeln weit weniger Mühe macht, als dauernd irgendetwas auszudiskutieren. Außerdem, hat er Glatze einmal erklärt, tut er es aus Rücksicht auf seine Frau. Wenn er ihr widerspricht, kränkt sie sich, und wenn sie sich kränkt, kriegt sie Migräne, und die will er ihr ersparen. Glatze hat er den Rat gegeben, seiner Mutter ebenfalls die Migräne
Weitere Kostenlose Bücher