Lupus - Ankunft der Woelfe
länger in dem Hilfsprojekt als er. Und eigentlich war er nur wegen ihr hier. Bei einem Ausflug am Grand Canyon hatte er sie kennengelernt und sich in sie verliebt. Kurzerhand hatte er seinen Kripodienst in Deutschland unterbrochen und war ihr nachgereist. Das Team im Camp war zu diesem Zeitpunkt bereits vollzählig gewesen. Alexander hatte jedoch durch Bonnys Beziehungen einen Job als Sportlehrer bekommen. Er wäre auch ohne diesen Job geblieben. Seine finanziellen Verhältnisse waren gesichert. Er nannte eine Burg am Rhein, ein Gestüt und einen Weinberg sein Eigen. Mit diesem Erbe musste er nicht arbeiten, um Geld zu verdienen, und schon jetzt war ihm klar, er würde nicht ohne Bonny nach Berlin zurückkehren.
Noch immer verweilte sein Blick auf ihr, suchte er ihre geheimnisvollen schwarzen Augen. Doch sie war zu sehr in das Gespräch vertieft, um ihn zu bemerken. Aus der Ferne wirkte sie viel strenger, als sie in Wirklichkeit war. Die vergangenen Wochen hatten sie wohl beide mehr gefordert und erschöpft, als sie voreinander zugeben mochten, dachte er mit einem tiefen Seufzer. Nicht einen freien Tag hatten sie gehabt. Nur die Nächte.
»Was hast du gesagt?«, fragte er den Sozialarbeiter und legte das Besteck auf den Teller.
»Ich würde heute viel lieber mit nach Durango fahren, anstatt Wüstenstaub zu schlucken. Trotzdem, viel Spaß!«
»Danke«, murmelte Alexander, nahm das Tablett vom Tisch, ging zum Geschirrwagen und stellte es ins Regalfach. Plötzlich stand Buenvenida hinter ihm und flüsterte ihm ins Ohr. »Ich habe deine Blicke bemerkt. Wenn du wüsstest, wie sehr ich dich liebe.«
Überrascht über ihren Liebesschwur drehte er sich heftig um und hätte sie am liebsten in seine Arme gezogen. Aber hier im Speiseraum, vor all den anderen, war das nicht angemessen. Sie mussten sich wie gewöhnliche Kollegen verhalten, auch wenn jeder wusste, dass sie ein Paar waren. »Ich werde dich jede Sekunde an diesem unglaublich langen Tag vermissen«, sagte er mit gedämpfter Stimme.
Buenvenida drehte eine Locke um den Zeigefinger. »Ich denke ernsthaft darüber nach, mit dir nach Berlin zu gehen.«
»Du würdest das alles hier für mich aufgeben? Was ist passiert?«
Sie legte zwei Finger an seine Lippen und brachte ihn zum Schweigen. Ihre braunen Augen wirkten noch dunkler als sonst. »Ich möchte deine Heimat kennenlernen. Als Ärztin finde ich überall Arbeit, auch in Berlin. Ich glaube, ich habe mich eben entschieden.«
Mit ernstem Gesichtsausdruck blickte sie zur Tür. »Die anderen warten auf mich. Ich muss los. Wir reden später weiter.«
Er berührte sie sanft am Arm, doch sie senkte ihre langen schwarzen Wimpern wie einen Schatten. »Also, bis heute Abend.«
Nachdenklich schaute er ihr hinterher, während sie zu den Kollegen ging, die am Eingang warteten. Das figurnahe Khaki-Kleid betonte ihre Taille. Sie wiegte die Hüften bei jedem Schritt. Trotzdem hatte er das intensive Gefühl, dass etwas Einschneidendes passiert war.
Einer der Jugendlichen riss ihn aus den Gedanken und zischte im Vorbeigehen. »Ein Rasseweib.«
Alexander schätzte den Jungen auf höchstens sechzehn. »Lass das nicht deine Freundin hören«, gab er zur Antwort und schmunzelte innerlich.
»Ach, die ist in letzter Zeit so komisch drauf. Hat meist schlechte Laune und kotzt morgens.«
»Könnte deine Freundin schwanger sein?«
»Kann schon sein. Mir doch egal.«
Der Jugendliche setzte sich an den Tisch und riss tollpatschig einen halb vollen Milchkrug um. Die anderen lachten.
Alexander blickte aus dem Fenster auf den staubigen Platz. Einige der Mädchen waren tatsächlich schwanger. Sie würden ihre Babys hier bekommen und zur Adoption freigeben. Das hatten sie unterschrieben. Es war gut möglich, dass die Freundin des Jungen dazugehörte, das Kind aber nicht von ihm war.
Draußen vor dem Kleinbus des Hilfsprojekts sammelte sich eine Gruppe von sieben jungen Frauen. Bei einigen zeigte sich eine kleine Wölbung unter den Kleidern. Buenvenida hatte ihm erzählt, dass die Schwangerschaften das Ergebnis von Vergewaltigungen oder ungeschütztem Verkehr auf dem Straßenstrich waren, zu dem man die Frauen gezwungen hatte. In keinem Fall waren die Kinder gewollt.
Er sah, wie sich seine Freundin mit schnellen Schritten von der Gruppe der Ärzte entfernte, zu den jungen Frauen ging und ein Gespräch mit ihnen begann. Die übrigen Ärzte und Camp-Mitarbeiter nahmen keine Notiz von der kleinen Gruppe vor dem Bus und redeten ebenfalls
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