0345 - Satans Schlangenkult
Tendyke sprang auf.
Er lauschte dem verzitternden Schrei nach. Der kam ganz aus der Nähe. Mit einer Verwünschung zog der Abenteurer sich den ledernen Stetson fester über die Ohren und begann zu laufen. Er fragte nicht erst lange, sondern reagierte sofort. Ein Mensch war in Not und brauchte Hilfe.
Das Lagerfeuer, über dem das Kaffeewasser langsam heiß wurde, brannte unbewacht weiter. Tendyke spurtete auf den Wald zu, der die Ruinen umschloß. Zwischen den Baumriesen und dem dschungelartigen Unterholz blieb er kurz stehen, lauschte wieder. Der Schrei erstarb endgültig, aber Tendyke wußte jetzt, wo er suchen mußte. Er brach sich seine Bahn durch die Gewächse, vorbei an Spinnen und Skorpionen, an kleinen Schlangen und anderem Dschungelkleingetier. Plötzlich war da eine Lichtung.
Tendyke sah Schatten. Schatten, die blitzschnell zu etwas anderem wurden! Und dieses andere - Schlangen, meterlang - verschwand blitzschnell im Unterholz!
Noch schneller war Tendykes Griff zum Colt. Vier, fünf Schüsse krachten ohrenbetäubend und in rasend schneller Folge und übertönten das Rascheln der Schlangen, die zwischen Sträuchern verschwinden wollten. Sechs schafften es. Die siebte Schlange hatte drei Kugeln in Leib und Kopf und zuckte nur noch, kam aber nicht mehr davon. Tendyke ging auf Sicherheit und jagte die sechste Kugel aus der Trommel. Auch sie stanzte ein Loch in die Schuppenhaut des Schlangenschädels.
Tendyke wirbelte den schweren Navy-Colt herum und betätigte den Auswerfer. Die leeren Patronenhülsen flogen ins Moos. Mit flinken Fingern lud er nach und ließ die Waffe wieder ins Holster gleiten. Dann lauschte er.
Nach dem Donnern der Schüsse waren die Tierstimmen des Dschungels erschreckt verstummt und hatten noch nicht wieder eingesetzt. Auch das Schlangenraschein war nicht mehr zu vernehmen. Nur die stoßweisen Atemzüge eines Mannes, der keuchend und blutend auf der Lichtung lag, in zerfetzter Kleidung, verdreckt und schweißüberströmt. Aber er lebte.
Noch…?
Tendyke kauerte sich neben den Mann, berührte ihn. Mit einem Schrei zuckte er zusammen.
»Ganz ruhig, amigo«, murmelte Tendyke. »Ganz ruhig. Sie sind fort. Du bist in Sicherheit. Was war los?«
Der Mann lag immer noch da, das Gesicht auf dem Boden. Tendyke rollte ihn vorsichtig auf die Seite. Er sah in eine Grimasse des Grauens. Die Augen des schwarzhaarigen Mannes flackerten angstvoll.
»Weg… ich muß weg…«
Er sprach spanisch, wie nicht anders zu erwarten. Tendyke beherrschte die Sprache fast akzentfrei.
»Sie sind fort, geflohen«, sagte Tendyke. »Und Sie werden nicht wiederkommen. Das waren keine Schlangen, nicht wahr?«
»Señor… Sie wissen nichts… lassen Sie es dabei! Sie werden immer wiederkommen… immer…« Er hustete, keuchte, schnappte nach Luft. »Ahh… sie haben mich erwischt. Ich durfte nicht…«
»Was?« fragte Tendyke ruhig. Er sah sich nach der erschossenen Schlange um. Fast erwartete er, daß das Biest im Tode seine Gestalt wandelte. Aber das war nicht geschehen. Da lag immer noch eine fast vier Meter lange Schlange.
Vier Meter lang …
»Ich bin Robert Tendyke«, sagte der Abenteurer. »Können Sie aufstehen? Ich habe drüben bei der Tempelstadt ein Camp, ein Lagerfeuer. Der Kaffee müßte auch fertig sein, Señor…«
»Mario Paquero«, keuchte der Mann. Mit Tendykes Hilfe schaffte er es, aufzustehen. Aber er taumelte, drohte wieder in die Knie zu brechen.
»Sie schaffen es«, sagte Tendyke. »Es sind nur fünfzig Meter! Kommen Sie!«
Plötzlich sah Paquero die tote Schlange. Er stieß einen gellenden Schrei aus und brach zusammen. Tendyke konnte ihn gerade noch auffangen.
»Verdammt«, murmelte er. Paquero stammelte etwas Unverständliches. Er konnte sich nicht mehr auf den Beinen halten. Tendyke überlegte schon, wie er ihn sich am besten auf die Schulter lud, als plötzlich ein zweiter Mann vor ihm stand. Blondes wirres Haar leuchtete fast.
»Wer ist das?« fragte der Blonde.
»Bring ihn zum Feuer«, sagte Tendyke. »Ich komme mit der Schlange nach.«
Der Blonde faßte Paqueros Arm, machte einen Schritt vorwärts und war mit dem Mexikaner verschwunden. Tendyke lud sich die schwere Schlange auf und stapfte durch den Wald zurück.
Er war gespannt, was hinter allem steckte…
***
Gryf ap Llandrysgryf und Teri Rheken hatten den Schrei und die Schüsse ebenfalls gehört und beides als höchst unwillkommene Störung empfunden. »Verdammt, hat man denn in diesem Land nirgendwo Ruhe?« knurrte
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