Lux Aeterna (German Edition)
sich hinein.
„Lass uns gehen“, schlug er dann vor. „Die Nacht ist bald zu Ende, und ich muss dem Tageslicht weichen.“
Jason hatte seine Verwandlung und neuen Fähigkeiten mit Staunen an sich wahrgenommen. „Was bin ich?“, fragte er seinen Erschaffer jetzt.
„Ein Vampir, mein Sohn“, lachte dieser. Dann wurde er plötzlich ernst. Er nahm etwas anderes wahr an dem neugeborenen Kind der Nacht: Jason war ein Hybrid. Einer der Neuzeitvampire, perfekt angepasst an die Welt der Menschen, unempfindlich gegen Sonnenlicht und die alten Waffen wie Weihwasser und Kruzifixe. Polignac seufzte. Schon wieder einer! Diese neue Rasse würde bald die alten Meister verdrängt haben. Doch dann fiel ihm ein, dass diese Hybriden keine neuen Vampire erschaffen konnten. Ihre Opfer waren einfach nur tot.
„Komm schon“, befahl er jetzt ungehalten. „Du bist vielleicht besser angepasst als ich, aber du musst noch sehr viel lernen.“
Damit verließen die beiden Vampire wie Schatten das Krankenhaus und folgten dem Ruf der Dunkelheit.
* * *
Nicht nur Jasons Augenlicht, auch sein Gedächtnis war zurückgekehrt und das Wissen um die Verlobte in England. Doch inzwischen war sehr viel Zeit vergangen. Ob Elisabeth noch auf ihn warten würde? Jetzt konnte er sein Versprechen halten!
Noch hatte Jason selbst keinen Menschen getötet. Polignac nannte ihn einen Schwächling. Doch die Art des Franzosen, mit seinen Opfern bis zum Tode zu spielen, widerte den jungen Mann an. Trotzdem empfand er seinem Erschaffer gegenüber so etwas wie Dankbarkeit angesichts des Schicksals, aus dem dieser ihn befreit hatte.
„Früher oder später wirst du es tun“, versprach Dominique Polignac seinem Schützling. „Du musst es tun, du kannst nur die Methode wählen“, lachte er dann.
Jason wandte sich ab.
Nachdem Polignac ihn die Gesetze der dunklen Engel gelehrt hatte, verließ er Frankreich und reiste zurück in die Heimat. Jason wusste, dass sein Erschaffer ihn um seine neuen Fähigkeiten der Anpassung beneidete. Der alte Meister war gezwungen, den Tag in einem Sarg zu verbringen oder zumindest an einem lichtlosen Ort. Das galt für die Neuzeitvampire zwar nicht mehr, doch erst wenn die Dunkelheit hereinbrach, erwachten die Kräfte ihrer Rasse zu vollem Leben.
In der Chapel Street in Stratford-upon-Avon hatte sich nichts verändert. Der kleine Ort besaß immer noch seinen verträumten, leicht weltfremden Charakter. Jason Dawn kam gerade rechtzeitig – rechtzeitig zur Hochzeit seiner ehemaligen Verlobten Elisabeth Jane Hazelwood mit Charles Wheeler, dem Sohn eines angesehenen Anwalts. Stanley Hazelwood war stolz auf seine Tochter. Dieser Schwiegersohn gefiel ihm wesentlich besser als der junge Mann aus ärmlichen Verhältnissen, den sie mit neunzehn Jahren hatte heiraten wollen.
Jason Dawn galt als vermisst. Über ein Jahr hatte Elizabeth den Verlust des Geliebten betrauert, war für ihre Umgebung kaum ansprechbar gewesen. Charles hatte sich rührend um sie bemüht in dieser schweren Zeit, und aus Freundschaft war schließlich so etwas wie Liebe geworden.
Als der heimgekehrte Jason die Hochzeitsgesellschaft vor der kleinen Kirche des Ortes sah, empfand er Zorn, Eifersucht und Schmerz. Hilflos ballte er die Fäuste zusammen, war für einen Moment versucht, sich mitten in die fröhliche Gesellschaft zu stürzen und seine ehemalige Verlobte mit Vorwürfen zu überschütten! Stattdessen wandte er sich ab und ging davon.
Er begriff in diesem Augenblick den Fluch, den Polignac ihm auferlegt hatte, den Fluch der Unsterblichkeit.
Hybriden können eine Schlafperiode einlegen, sind jedoch nicht dazu gezwungen wie die Vampire der alten Generationen. Jason konnte in diesem Falle seinen Schmerz nicht anders betäuben als im Vergessen eines langen Schlafes. Wenn er aufwachen würde, wäre Elisabeth vermutlich bereits verstorben.
Mitte der 60er-Jahre erwachte Jason Dawn erneut. Es war die Zeit der Hippies, Drogen und des Rock ’n’ Roll. Ein völlig neues Lebensgefühl erfasste die menschliche Jugend. Und auch Jason war jung, vierundzwanzig Jahre alt, und die würde er bleiben.
Selbst hier in England hatten die Blumenkinder Einzug gehalten. Sie hatten mit den strengen Sitten gebrochen, lebten in Kommunen oder Wohnwagensiedlungen außerhalb der Städte, trafen sich zu Sit-ins auf den Wiesen und überall erklang Musik. Eine neue Art von Musik, die auch Jason Dawn faszinierte.
Als er kurz nach dem Erwachen auf das Camp einer
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