Lynne Graham
hatte mit allem Möglichen gerechnet, aber gewiss nicht damit, dass dieser mächtige Mann sie aus heiterem Himmel herausforderte. Für gewöhnlich ging sie keine Risiken ein und sorgte dafür, dass man keine Notiz von ihr nahm. Doch jetzt hatte dieser Fremde sie bemerkt. Entmutigt gestand Kathy sich ein, dass sie selbst nicht wenig dazu beigetragen hatte.
Zu ihrem Ärger fesselte seine verwegene männliche Schönheit erneut ihre Aufmerksamkeit. Gewinnen oder verlieren, und er war der Preis? Meinte er das ernst? Wenn ja, sollte sie es wagen, die Herausforderung anzunehmen? Während der Arbeit hatte sie sich einzureden versucht, dass er nicht halb so attraktiv war, wie sie glaubte. Doch jetzt stand er erneut in Fleisch und Blut vor ihr, und alle Gelassenheit und Vernunft schienen sich in Luft aufzulösen. Allein der Anblick der stolzen, wie in Marmor gemeißelten Gesichtszüge bereitete ihr Lust. Sie öffnete den Mund, ohne zu wissen, was sie sagen sollte. „Ich … äh …“
Er musterte sie mit durchdringendem Blick. „Gibst du etwa klein bei, jetzt, wo du mir beim Spielen ins Gesicht schauen musst?“, fragte er mit unverhülltem Spott.
Unmut stieg in Kathy auf, mit einer Macht und Schärfe, die sie schon lange nicht mehr empfunden hatte. Sie reckte das Kinn vor und antwortete: „Machst du Witze?“
Sergio trat einen Schritt zurück, um ihr den Vortritt aus dem Raum zu lassen. „Dann lass uns spielen.“
„Aber ich muss arbeiten“, erklärte Kathy und schüttelte leicht amüsiert den Kopf. „Um Himmels willen, wer bist du eigentlich?“
Erstaunt hob er eine Augenbraue. „Ist das eine ernsthafte Frage?“
„Natürlich.“
„Ich bin Sergio Torrente, mir gehört die Torrenco Group“, erwiderte Sergio trocken. Vielleicht hielt sie sich ja für besonders clever, aber er fand es empörend, dass sie so tat, als wüsste sie nicht, wer er war. „Jede Firma in diesem Gebäude gehört mir. Ich kann mir kaum vorstellen, dass du das nicht weißt.“
Vor Schreck war Kathy wie gelähmt. Es war ihr nicht in den Sinn gekommen, dass er so mächtig sein könnte. Trotzdem hatte sie noch nie von ihm gehört.
„Du spielst also mit?“, drängte Sergio ungeduldig.
Ein Adrenalinschub rief Kathys Überlebensinstinkte wach. Offensichtlich hatte sie sich das falsche Schachbrett und den falschen Mann ausgesucht. Er strahlte eine weltgewandte Gelassenheit und Gleichgültigkeit aus, doch hinter der atemberaubenden Eleganz seines Designeranzugs verbarg sich ein äußerst aggressives Raubtier. Er war ein kluger Spieler, der jeden taktischen Vorteil für einen Angriff nutzte und unfähig war, die kleinste Herausforderung zu ignorieren, wenn er dadurch seine Stärke beweisen konnte. Kein Mann, mit dem man sich auf einen Kampf einlassen oder den man beleidigen sollte.
„Ich kann jetzt meine Pause machen“, erklärte Kathy. Sie würde ihre Strafe über sich ergehen lassen. Anstatt ihn, wie ursprünglich geplant, mit zwei Zügen schachmatt zu setzen, würde sie ihn klugerweise gewinnen lassen.
Sergio nickte und ließ sie nicht aus den Augen, denn er musste herausfinden, was sie vorhatte. Sollte er ihr wirklich abnehmen, dass sie ihn nicht kannte?
„Ich habe das Schachbrett in mein Büro bringen lassen, damit wir ungestört spielen können. Gehen wir also.“
Vor Nervosität schlug Kathys Herz inzwischen wie rasend. Sergio stieß die Tür zu seinem Büro auf und trat zurück. Einen Moment lang war sie ihm nah genug, um den leichten Duft eines teuren Parfüms einzuatmen. Sie schnappte nach Luft. „Wie hast du herausgefunden, dass ich es bin?“
„Das ist nicht wichtig.“
„Für mich schon“, widersprach sie.
„Durch Überwachungskameras.“
Kathy erbleichte. In dem Vorraum gab es eine Kamera? Sie war entsetzt, denn dort verbrachte sie ihre Pause, und ein- oder zweimal hatte sie auf dem Sofa ein Nickerchen gemacht. Das allein würde ausreichen, um ihren Job zu verlieren.
„Möchtest du etwas trinken?“
Ihr schlanker Körper stand unter Spannung wie eine Bogensehne, als sie unentschlossen mitten auf dem Teppich stehen blieb. Das Spielbrett und die Sofas in der Ecke lagen im weichen Licht einer Stehlampe. Das Ganze wirkte sehr intim. Wenn ihre Vorgesetzte vorbeikäme und sie in so einer Situation erwischte, würde sie eine vollkommen falsche Vorstellung bekommen. Auch Alkohol während der Arbeitszeit konnte zur fristlosen Kündigung führen. „Versuchst du Gründe zu finden, um mich rauswerfen zu
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