Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse
ersten Hütte. Scheu stieß sie die Tür auf und fand Ehirme traurig an einem Tisch sitzend, wo sie Rüben für die Abendsuppe schälte.
Ehirme starrte sie verblüfft an. »Was tust du hier?«
»Ich mag Dame Maugelin nicht. Ich will bei dir wohnen.«
»Ach, kleine Prinzessin, das geht aber nicht! Komm, wir müssen dich rasch zurückbringen, eh es ein Geschrei gibt. Wer hat dich fortlaufen sehen?«
»Niemand.«
»Dann komm. Hurtig! Wenn uns einer fragt, dann haben wir eben ein bißchen Luft geschnappt.«
»Ich will aber nicht allein dort bleiben!«
»Du mußt aber, meine liebste Suldrun! Du bist eine Prinzessin, das darfst du nie vergessen! Das heißt, daß du tust, was man dir sagt. Komm jetzt, rasch!«
»Aber ich werde nicht tun, was man mir sagt, wenn das bedeutet, daß du fort mußt.«
»Nun, wir werden sehen. Aber jetzt laß uns gehen. Vielleicht können wir hineinschlüpfen, bevor überhaupt einer dein Verschwinden bemerkt.«
Aber Suldrun wurde bereits vermißt. Bedeutete ihre Anwesenheit auf Haidion niemandem etwas Besonderes, so war ihre Abwesenheit doch eine Angelegenheit von größter Wichtigkeit. Dame Maugelin hatte schon den ganzen Ostturm durchsucht, vom Söller unter den Dachschindeln, den Suldrun gern aufsuchte (um sich dort herumzudrücken und sich zu verstecken, dieses kleine Teufelchen – dachte Dame Maugelin), über das Observatorium, von dem aus König Casmir den Hafen zu taxieren pflegte, bis hinunter in das Stockwerk, das Suldruns Gemächer beherbergte. Erhitzt, müde und bange stieg sie schließlich die Treppe zum Hauptgeschoß hinunter – und hielt mitten im Schritt inne, halb aus Erleichterung, halb aus Zorn, denn just in dem Moment sah sie, wie Suldrun und Ehirme die schwere Tür aufstießen und leise in die Halle am Ende der Hauptgalerie traten. Mit rauschendem Gewand trippelte sie die letzten drei Stufen hinunter und stapfte wutentbrannt auf die beiden zu. »Wo seid ihr gewesen? Wir sind alle in höchster Sorge! Kommt. Wir müssen Dame Boudetta finden. Die Sache liegt in ihren Händen!«
Dame Maugelin marschierte die Galerie hinunter und einen Nebenflur entlang zu Dame Boudettas Amtsstube. Suldrun und Ehirme folgten ihr ängstlich.
Dame Boudetta hörte sich Dame Maugelins aufgeregten Bericht an und musterte abwechselnd Suldrun und Ehirme. Die Sache schien von keinem großen Belang; eher unbedeutend, ja harmlos. Trotzdem: Sie stellte ein gewisses Maß an Unbotmäßigkeit dar und mußte entsprechend behandelt werden, forsch und entschlossen. Die Schuldfrage war dabei unerheblich. Dame Boudetta stellte Suldruns Intelligenz, mochte sie auch vielleicht ein wenig träge sein, etwa auf eine Stufe mit der verträumten bäuerlichen Einfalt Ehirmes. Natürlich konnte Suldrun nicht bestraft werden. Selbst Sollace würde in Zorn entbrennen, würde sie erfahren, daß königliches Fleisch gepeitscht worden war.
Dame Boudetta behandelte die Angelegenheit praktisch. Sie fixierte Ehirme mit einem kalten Blick. »Sag an, Weib, was hast du getan?«
Ehirme, deren Geist in der Tat nicht sehr beweglich war, schaute Dame Boudetta bestürzt an. »Ich habe nichts getan, Mylady.« Und in der Hoffnung, Suldrun zu entlasten, schnatterte sie sogleich weiter: »Wir haben nur einen kleinen Spaziergang gemacht, nicht, Prinzeßchen, das haben wir doch?«
Suldrun schaute von der falkenartigen Dame Boudetta auf die wohlbeleibte Dame Maugelin und entdeckte in beider Miene nur kalte Abneigung. »Es ist wahr, ich habe einen Spaziergang gemacht«, sagte sie ruhig.
Dame Boudetta wandte den Blick zu Ehirme. »Wie kannst du es wagen, dir solche Eigenmächtigkeiten herauszunehmen! Wurdest du nicht aus deiner Stellung entlassen?«
»Ja, Mylady, aber so war es doch überhaupt nicht –«
»Schweig jetzt! Ich will keine Ausflüchte hören.« Boudetta winkte einen Lakaien heran. »Schaff dieses Weib hier in den Hof, und ruf das Gesinde zusammen.«
Die vor Bestürzung schluchzende Ehirme wurde auf den Gesindehof neben der Küche geführt, und Boudetta ließ einen Kerkermeister aus dem Peinhador holen. Während das Gesinde sich zum Zuschauen aufstellte, wurde Ehirme von zwei livrierten Lakaien über einen Bock gebeugt. Dann trat der Kerkermeister vor, ein stämmiger Mann mit schwarzem Bart und blasser, fast lavendelfarbener Haut. Er blieb abwartend ein wenig abseits stehen, den Blick starr auf die zuschauenden Mädchen gewandt, und bog prüfend seine Geißel aus Weidenruten zwischen den Händen.
Dame Boudetta stand
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