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Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse

Titel: Lyonesse 1 - Herrscher von Lyonesse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Jack Vance
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    An einem düsteren Wintertag, Regen fegte über die Stadt Lyonesse, bekam Königin Sollace ihre Wehen. Sie wurde in das Entbindungsgemach gebracht, wo sich zwei Hebammen, vier Mägde, der Arzt Balhamel und die alte Vettel Dyldra, die profundes Wissen in der Kräuterkunde besaß, ihrer annahmen. Dyldra, die von vielen als Hexe betrachtet wurde, war zugegen auf den Wunsch Königin Sollaces, die mehr Trost im Glauben als in der Logik fand.
    König Casmir erschien. Sollaces Wimmern wurde zu einem Stöhnen, und sie verkrallte die Finger in ihrem dichten blonden Haar. Casmir betrachtete die Szene von der gegenüberliegenden Seite des Gemachs. Er trug ein schlichtes scharlachrotes Gewand mit einer purpurfarbenen Schärpe. Seinen rotblonden Schopf bedeckte eine goldene Krone. Er wandte den Blick zu Balhamel und fragte: »Gibt es schon Hinweise?«
    »Nein, Sire, noch keine.«
    »Gibt es keinen Weg, das Geschlecht zu erraten?«
    »Soweit ich weiß, gibt es keinen solchen Weg.«
    Wie er dort im Türrahmen stand, die Beine ein wenig gespreizt, die Arme hinter dem Rücken verschränkt, schien Casmir die wahre Verkörperung gestrenger und königlicher Würde zu sein. Und in der Tat war dies eine Attitüde, die ihm überall anhaftete, so sehr, daß sogar die Küchenmägde ständig hinter seinem Rücken tuschelten und kicherten und respektlos Vermutungen darüber anstellten, ob er seine Krone wohl auch im ehelichen Bett trug. Casmir betrachtete Sollace mit gerunzelter Stirn. »Es scheint, daß sie Schmerzen hat.«
    »Ihre Schmerzen sind nicht so stark, wie sie sein könnten, Sire. Noch nicht jedenfalls. Bedenkt jedoch, daß Furcht den tatsächlich bestehenden Schmerz vergrößert.«
    Auf diese letzte Bemerkung gab Casmir keine Antwort. Im Schatten an der Seite des Gemachs entdeckte er die Vettel Dyldra, die über ihrer Kohlenpfanne kauerte. Er deutete mit dem Finger auf sie. »Warum ist die Hexe hier?«
    »Sire«, sagte die eine der beiden Hebammen leise, »sie kam auf Geheiß von Königin Sollace!«
    Casmir gab ein mürrisches Knurren von sich. »Sie wird dem Kind Unheil bringen.«
    Dyldra beugte sich nur noch tiefer über die Kohlenpfanne. Sie warf eine Handvoll Kräuter auf die Kohlen. Eine Wolke beißenden Rauches stieg im Raum auf und wehte dem König ins Gesicht. Er hustete, wich zurück und verließ das Gemach.
    Die Mägde zogen die Vorhänge zu und zündeten die bronzenen Lampen an. Sollace lag angespannt auf dem Bett, die Beine ausgestreckt, den Kopf zurückgeworfen. Alle Augen ruhten gebannt auf ihrem königlichen Bauch, der sich rhythmisch hob und senkte.
    Die Wehen wurden stärker. Sollace schrie laut auf, zuerst vor Schmerz, dann aus Wut darüber, daß sie leiden sollte wie eine gemeine Frau.
    Zwei Stunden später war das Kind geboren: ein Mädchen, recht winzig. Sollace schloß die Augen und sank zurück in ihre Kissen. Als das Kind zu ihr gebracht wurde, winkte sie mit einer unwirschen Geste ab und versank gleich darauf in dumpfe Abwesenheit.
     
    Das Fest, das anläßlich der Geburt geplant worden war, wurde abgesagt. König Casmir ließ keine freudige Bekanntmachung verkünden, und Königin Sollace ließ niemanden vor, bis auf einen gewissen Ewaldo Idra, einen Adepten der Kaukasischen Mysterien. Schließlich – und, wie es schien, auch nur, um nicht gegen den Brauch zu verstoßen – ordnete König Casmir eine Galaprozession an.
    An einem Tag mit fahlem Sonnenlicht, kaltem Wind und hoch am Himmel dahineilenden Wolken öffneten sich die Tore von Burg Haidion. Vier in weißen Atlas gekleidete Herolde traten heraus, in würdevollem, gemessenem Marschschritt. Von ihren Trompeten hingen Banner aus weißer Seide, bestickt mit dem Emblem von Lyonesse: einem schwarzen Lebensbaum, an welchem zwölf scharlachrote Granatäpfel wuchsen. 6 Sie marschierten vierzig Schritte, blieben stehen, setzten ihre Trompeten an und bliesen die Fanfare, die »Frohe Kunde« bedeutete. Vom Burghof ritten auf schnaubenden Schimmeln vier Edle: Cypris, der Herzog von Skroy, Bannoy, der Herzog von Tremblance, Odo, der Herzog von Folize, und Sir Garnel, Bannerherr von Burg Swange, des Königs Neffe. Dahinter folgte die königliche Kutsche, gezogen von vier weißen Einhörnern. Königin Sollace, in ein grünes Gewand gehüllt, hielt Suldrun in den Armen, in ein karmesinrotes Kissen gebettet. König Casmir ritt auf seinem großen schwarzen Pferd Sheuvan neben der Kutsche. Dahinter marschierte die Elitegarde, allesamt Männer von edlem Geblüt, mit

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