Macabros 090: Höhle des Unheils
dem Unterschied, daß ihre Nacht die
Dunkelheit nicht kannte.
In der Blockhütte, die unmittelbar neben der Pepes, des
Adoptivsohnes Björn Hellmarks stand, knarrte das Bett. Es war
ein einfaches, holzgezimmertes Gestell, das mit einem Fell ausgelegt
war.
Der Schläfer, der sich darin räkelte, sich dann
schlaftrunken umdrehte, hatte ein kugelrundes Gesicht mit
großen, runden, wimpernlosen Augen, einem breiten, das untere
Drittel des Kopfes ausfüllenden Mund. An Auffälligkeiten
gab es noch den dicken Kamm, der in Kopfmitte begann und bis zum
Nacken hinabzog.
Das war Jim, der Guuf, der gleiche, dessen Gesicht Marikje
Adeninnen am Fenster der einsamen Hütte in den Bergen gesehen
hatte!
Jim schlug die Augen auf und blieb noch eine Weile
halbschläfrig liegen.
Das helle Sonnenlicht fiel durch einen schmalen Spalt der
hölzernen Klappläden, die das Fenster verschlossen und in
dem Raum ein angenehmes Halbdunkel bewirkten.
Jim schloß nochmal die Augen, das geschah in dem Moment, als
ein Schatten über den schmalen Lichtspalt zwischen den beiden
Klappladenhälften fiel.
Draußen stand jemand vor dem Fenster und spähte ganz
vorsichtig durch den Ritz.
Der Junge hatte schwarzgelockte Haare und eine braune Haut. Es war
Pepe, der in den Urwäldern Yucatáns groß geworden
war.
Vorsichtig spähte er durch den Spalt und verbreiterte ihn
langsam. Das helle Sonnenlicht fiel quer über Jims Beine.
Pepe grinste. »Na, warte«, murmelte er. »Alte
Schlafmütze, dir werd’ ich’s zeigen. Mich die ganze
Arbeit machen lassen und selbst faul herumliegen…«
Blitzartig riß er die beiden Hälften des Klappladens
auseinander, sprang auf die schmale, hölzerne Fensterbank,
stimmte ein fürchterliches Indianergeheul an und warf sich dann
mit einem wahren Hechtsprung auf das Bett, daß es in allen
Fugen ächzte. »Auf ihn mit Gebrüll!«
Jim war noch nicht ganz wach, aber als Pepe die harmlose Balgerei
begann, kam er schnell zu sich.
Pepe drückte den Guuf zur Seite, zog das Fell unter seinem
Körper hervor und warf es über ihn.
Geschickt tauchte Jim darunter hinweg, packte den Freund, und
minutenlang balgten sich die beiden, daß es einem
Außenstehenden angst und bange werden konnte. Sie verhielten
sich wie zwei junge, wilde Tiere, die im Spiel ihre Kräfte
maßen.
Was aussah wie eine handfeste Auseinandersetzung war ein Spiel,
ein Spaß. Da tat keiner dem anderen weh.
Es gelang Pepe, sein Überraschungsmoment voll auszunutzen. Er
kippte Jim aus dem Bett, zog das Fell über sich und rief:
»Ich nehm’ jetzt deinen Platz ein, und du übernimmst
meinen Job. Das ist nur gerecht. Ich plage mich schon seit mindestens
zwei Stunden allein ab und warte auf dich…«
Er unterbrach sich plötzlich, hielt einen Moment lang still
und war verwundert, daß Jim nicht reagierte, nicht von sich aus
seinen Wortschwall unterbrach.
Irritiert warf Pepe das Fell zurück.
Jim stand wie ein begossener Pudel neben dem Bett.
»Heh, alter Knabe«, auch Pepes Stimme klang nicht mehr
so fröhlich, als er den Freund so traurig sah. »Was ist
denn los mit dir? Hab’ ich dir vorhin weh getan? Tut mir leid,
das wollte ich nicht…« Er kniete auf der Bettkante und
legte dem Guuf den Arm um die Schultern.
»Ist das wirklich wahr?« fragte Jim plötzlich und
sah Pepe an, als würde er aus einem endlosen Traum erwachen.
»Was soll wahr sein, Jim?«
»Was du da eben gesagt hast. Bist du wirklich schon seit zwei
Stunden auf den Beinen, während ich hier ’rumliege und
nicht zu mir komme?« Er schüttelte sich und kratzte sich
ganz nach Menschenart am Hinterkopf.
»Wenn ich dir’s sage«, hob Pepe die Hände und
stand auf. »Ich warte die ganze Zeit schon auf dich. Das hat
mich gewundert, daß du nicht gekommen bist, um mir zu
helfen…«
Marlos war, was seine Lage, sein Aussehen und seine
Atmosphäre anbelangte, ein wahres Paradies. Menschen, die guten
Willens waren, lebten hier, und die Insel war ein Bollwerk gegen die
bösen Mächte in der Welt.
Aber auch auf Marlos flogen den dort Wohnenden die gebratenen
Tauben nicht in den Mund. Die Äcker mußten bestellt, das
Vieh, das auf der Insel lebte, versorgt werden. Da mußte jeder
handfest zugreifen, um den Nachschub von Lebensmitteln, die man nicht
einfach im nächsten Supermarkt kaufen konnte, sicher zu
stellen.
»Es muß mit dem Traum zusammenhängen«,
murmelte Jim nachdenklich. »Ich schlafe sonst nie so
lange…«
»Was für ein Traum?« fragte Pepe, dem nicht gefiel,
daß der Freund
Weitere Kostenlose Bücher