Macabros 090: Höhle des Unheils
entdecken, obwohl er ein
verhältnismäßig großes Blickfeld hatte. Der
Boden fiel zum See hin sanft ab. Der Platz vor dem Fenster lag
völlig frei vor ihm. Dort wuchsen Moose und niedrige
Gräser.
»Da ist nichts, Marikje«, sagte er achselzuckend.
»Du hast dich getäuscht.«
»Nein!« Hart klang die Erwiderung aus ihrem Mund.
»Ich hab’ ihn gesehen… ganz deutlich…«
»Aber da ist wirklich nichts, Liebes«, sagte er sanft
und zog sie an sich. »Komm, überzeug’ dich selbst.
Draußen ist alles still. Wer sollte auch hier sein?«
»Ich habe einen Verdacht, Arne… mein Vater – er
läßt mich beobachten… aber das ist Unsinn«,
schüttelte sie den Kopf und fuhr sich fahrig durch das Haar,
»ich war vorsichtig. Er kann nichts wissen…
außerdem… das Gesicht… das Gesicht…«,
stammelte sie plötzlich, und Arne Kekoolen erschrak. So verwirrt
hatte er die sonst so klar und logisch denkende Geliebte nie
gesehen.
»Was war mit dem Gesicht, Marikje?«
»Es war nicht richtig menschlich, Arne… der Kopf war
kugelrund, kahl, die Augen groß, ebenfalls rund, aber
wimpernlos… und auf dem Kopf trug der Unbekannte einen
kammartigen Auswuchs, der bis tief in den Nacken reichte… Ich
habe nie zuvor einen Menschen mit solchem Aussehen
getroffen…«
*
Der Eindruck hatte nur einen Moment gewährt. Dennoch hatte
sie sich das Aussehen des Fremden scharf und prägnant
eingeprägt.
»In dem Gesicht gab es keine Nase, dafür in breites,
zähnefletschendes, grinsendes Maul«, fuhr sie fort, als
müsse sie das, was sie gesehen hatte, endlich los werden.
Arne Kekoolen fing leise an zu lachen. »Ich habe vorhin schon
deine Phantasie bewundert und…« Er wurde sofort wieder
ernst, als er ihren eisigen Blick registrierte. »Wenn uns
wirklich jemand gefolgt ist, ohne daß wir ihn bemerkt haben,
dann hat er es verdammt geschickt angefangen. Und nun tritt er wohl
mit einer dämonenfratzigen Maske auf, damit du erschreckst und
wir nicht erkennen, wer sich dahinter verbirgt!«
Kekoolen ging auf die Situation ein. Marikje wollte nicht
einsehen, daß sie sich geirrt hatte. Dabei war dies die
natürlichste Erklärung. Sie war innerlich nervös,
angespannt, und die Wahrscheinlichkeit, daß ihr Spiel
möglicherweise von ihrem eigenen Vater durchschaut worden war,
ließ sich nicht so einfach von der Hand weisen.
Vielleicht hatte der alte Adeninnen wirklich einen Detektiv
beauftragt, um Marikje zu beschatten.
»Ich werde nachsehen. Damit du beruhigt bist.« Er
schlüpfte in die fellgefütterte Lederjacke und nahm das
Jagdgewehr von der Wand neben der Tür. Wenn er hierher in die
Einsamkeit kam, brachte er die Waffe stets mit. Sie war geladen.
»Paß’ auf, Arne…«
»Wenn mir einer auf die Füße tritt, werde ich mich
schon zur Wehr setzen. Keine Bange.«
Marikje Adeninnen trat zur Seite, als Kekoolen die Tür
öffnete.
Der kalte Wind fegte in die Hütte. Fröstelnd zog die
kaum bekleidete Frau die Schultern hoch.
Kekoolen schloß die Tür hinter sich und blieb einige
Sekunden mit dem Gewehr auf dem Unterarm vor der Hütte
stehen.
Der Wind zerzauste im Nu seine Haare.
Das Motorrad, mit dem Marikje Adeninnen und ihr Liebhaber gekommen
waren, stand unversehrt gegen die Hauswand gelehnt im Windschatten
eines Brennholzstoßes, der bis unter das Dach reichte.
Kekoolen ging zunächst um die Hütte herum.
Besonders in Fensternähe hielt er sich längere Zeit auf
und untersuchte in der Hocke den Boden.
Zwischen den Augen des Mannes entstand eine steile Falte.
Da war wirklich etwas…
Das Moos war festgetreten, als hätte hier jemand
gestanden.
Aber wie war dieser Jemand hierher gekommen – und wo befand
er sich jetzt? Unwillkürlich und folgerichtig drängte sich
ihm diese Frage auf.
Zu Fuß konnte niemand in die menschenleere Wildnis gekommen
sein. Der vermutliche Beobachter mußte also motorisiert gewesen
sein. Auf dem Weg hierher war Kekoolen aber nichts Verdächtiges
aufgefallen.
Arne Kekoolen kombinierte.
Gesetzt den Fall, Marikje hatte richtig gesehen, dann mußte
man davon ausgehen, daß ihrem geheimnisvollen Verfolger dieser
Treffpunkt bereits bekannt war. So hatte er sein Auto oder sein
Motorrad weit außerhalb der Hütte abgestellt und war dann
hierher geschlichen. Das war eine Möglichkeit. Es gab noch eine
zweite: Der Unbekannte war schon vor ihnen da gewesen, hatte ihre
Ankunft belauert und die ganze Zeit über schon durch das Fenster
gestarrt, ohne daß es ihnen bewußt geworden war!
Arne
Weitere Kostenlose Bücher