Macabros 090: Höhle des Unheils
Kekoolen atmete tief durch.
Marikje hatte laut genug gesprochen. Er mußte davon
ausgehen, daß der Geheimnisvolle, der offensichtlich mit einer
Maske herumlief, Zeuge der Ausführungen der Fabrikantentochter
geworden war.
Marikjes Mordplan war also bekannt! Und damit auch seine
Mitwisserschaft. Eine verteufelte Situation!
Unwillkürlich umklammerte er das Gewehr fester und löste
sich aus dem Lichtkreis, der durch das Fenster fiel und entfernte
sich von der Hütte.
Einige Schritte hinter dem Holzstoß begann dorniges
Gestrüpp, ragten knorrige, kahle Bäume in den
bewölkten Himmel. Nur hin und wieder glitzerte das kalte Licht
eines Sterns durch aufbrechende Wolken.
Zehn Schritte von der Hütte entfernt, warf Kekoolen noch mal
einen Blick zurück.
Die Hütte stand windgeschützt vor einer mit Bäumen
bewachsenen Erderhebung. Das Dach war tief herabgezogen. Neben dem
Eingang lag ein altes, morsches Boot mit dem Kiel nach oben. Es war
auf zwei abgesägten Baumstümpfen aufgebockt.
Der Wind säuselte über die Hütte hinweg und fing
sich in den Bäumen, so daß ein eigenwilliger, permanent
vorhandener klagender Ton erzeugt wurde.
Mit dem entsicherten Gewehr in der Hand und entschlossen, sofort
zu schießen, wenn die Situation es erforderte, zog Kekoolen
seine Kreise.
Er hatte Marikje veranlaßt, die Tür zu verriegeln, bis
er zurück war und sich persönlich meldete.
Das unheimliche Gesicht, das die Geliebte beschrieben hatte, ging
ihm nicht aus dem Sinn.
Wenn jemand eine Maske aufsetzte, zumal in einer solchen
Situation, hatte das seinen Grund. Er wollte verhindern, daß
jemand sein Gesicht erkannte. Also mußte er Marikje oder ihm
bekannt sein…
Und er mußte sich noch in der Nähe aufhalten, er konnte
nicht weit sein.
Vielleicht verbarg er sich irgendwo im Unterholz, im Kernschatten
hinter einem Erdhügel. Es gab hunderte von Möglichkeiten,
hier in der Nacht und dem Nebel, der um den See lag, unterzutauchen.
Man brauchte sich nur still zu verhalten.
Kekoolen kam zum See.
Die Stimmung war gespenstisch.
Der dichte Nebel wogte über den See, wälzte sich
über den moosigen Boden und ließ die Umrisse der schwarzen
Stämme und knorrigen, verschlungenen Äste und Zweige nur
schemenhaft erkennen.
Kekoolen war mit den Wetterverhältnissen und der Landschaft
zu sehr vertraut, um sich Hoffnungen zu machen.
In der Nacht konnte er kaum noch damit rechnen, den Versteckten
– wenn es ihn gab – festzustellen.
Kekoolen stand unter einem Baum, dessen verschlungene Äste
wie ein groteskes Dach über ihm wirkten.
Dort oben bewegte es sich.
In den Zweigen hockte wie ein Gnom eine Gestalt. Sie hielt einen
dicken Knüppel in der Hand.
Es war der Unbekannte, den Marikje Adeninnen gesehen hatte, und
sein Gesicht war genau so, wie von ihr beschrieben.
Das Geschöpf, das aussah wie ein Dämon, war niemand
anders als Jim, der Guuf, das Zwitterwesen eines Kugelkopfs und einer
Menschenfrau. Björn Hellmark, der Herr von Marlos, hatte Jim auf
der Insel eine neue Heimat gegeben, weil der Junge durch sein
Aussehen Menschen erschreckte und verwirrte, aber in Wirklichkeit
keiner Fliege etwas zuleide tat.
Wäre Hellmark jedoch in diesen Sekunden Zeuge geworden von
dem, was Jim jetzt tat, er hätte an seinem Verstand
gezweifelt.
Der Guuf beugte sich weit nach vorn. Er war gelenkig und
verursachte bei seinen Bewegungen nicht das geringste
Geräusch.
Wie ein Damoklesschwert schwebte der dicke Knüppel über
dem Haupt des ahnungslosen Arne Kekoolen.
Der Finne wollte weitergehen. Er setzte einen Fuß nach vorn.
Da krachte der Knüppel auf seinen Hinterkopf.
Der Schlag wurde mit solcher Wucht geführt, daß der
Getroffene sofort das Bewußtsein verlor. Er stürzte nach
vorn, die Waffe entfiel seiner Hand, und Arne Kekoolen landete mit
dem Gesicht zuerst in dem kalten, hochaufspritzenden Wasser des
Sees…
*
Die kleine Blockhütte stand nahe am Strand.
Sie war nur eine von vielen auf der Insel Marlos, die zwischen
Hawaii und den Galapagos lag und auf keiner Karte der Welt
verzeichnet war.
Marlos war unsichtbar. Sie war ein Vermächtnis aus
vergangener Zeit und Björn Hellmark übergeben worden.
Die Menschen, die auf der Insel lebten – es waren nur eine
Handvoll – lebten im ewigen Frühling unter ewiger Sonne.
Auf Marlos gab es keine Nacht.
Die aber hier lebten, richteten sich nach dem Rhythmus der Natur
außerhalb der Insel.
Auch ihr Leben verlief in der Abwechslung zwischen Wachen und
Schlafen, nur mit
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