Macabros 101: Sturz in das Chaos
Bretter dick,
die jemand aufeinandergelegt zu haben schien.
Die an der Graböffnung teilnahmen, glaubten ihren Augen nicht
trauen zu können.
Unwillkürlich drängte sich den Beobachtern der Gedanke
auf, daß die schwere auf dem Deckel lastende Erde die Kiste
schließlich zusammengedrückt hatte. Aber der Tote
hätte als Widerstand fungieren müssen. Deckel und Boden der
auf Marlos zusammengezimmerten Totenkiste hätten in diesem Fall
nicht dicht aufeinander liegen dürfen.
Schon dieser Eindruck weckte den Verdacht, daß Ak Nafuur,
der zu ihrer aller Freund geworden war, sich nicht mehr in dem Sarg
befand!
*
Wenige Minuten später wurde aus dem Verdacht
Gewißheit.
Der Sarg war leer.
Aber das widersprach allen Gesetzen. Von außen war an das
Grab nicht Hand angelegt worden. Hier auf Marlos konnte niemand ein
Interesse daran haben, die Leiche verschwinden zu lassen.
Danielle war die erste, die das eingetretene Schweigen brach.
»Es ist genauso wie mit dem einen Manja-Auge«, sagte sie
leise. »Carminia entdeckte zuerst, daß eines begann sich
aufzulösen. Vielleicht – ist das gleiche mit Ak Nafuur
passiert…«
Rani Mahay kratzte sich im Nacken. »Die Vergleiche passen
nicht gut zusammen, Danielle. Aber seit Apokalyptas Versuch, mit dem
veränderten Giganten-Auge eines Manja Einfluß auf Leib und
Leben Björns zu nehmen, ist wohl nichts mehr
unmöglich…«
Das leere Grab warf viele Fragen auf.
Der Hügel war lautlos und blitzartig in sich
zusammengesunken, wußte Jim zu berichten. Aber in der Form, wie
sie die Bretter der Totenkiste vorgefunden hatten, brach ein Sarg
nicht ein.
»Ich habe einen anderen Verdacht«, meldete sich Arson,
der Mann mit der Silberhaut, nachdem er die ganze Zeit über
ernst nachgedacht hatte. »Es sieht aus – wie ein
Zeichen…«
»Ein – Zeichen?« fragten Rani und Danielle wie aus
einem Mund. Whiss war erstaunlich schweigsam.
»Jemand will uns damit etwas zu verstehen geben… fragt
sich nur, wer. Björn? Carminia – oder Ak Nafuur, dessen
sterbliche Überreste auf mysteriöse Weise von einer Insel
verschwunden sind, die ein Bollwerk darstellt gegen die Mächte
des Bösen und der Gewalt. Es ist ein Zeichen, aber wir sind noch
nicht imstande, es zu deuten. Vielleicht kommt ein zweites Signal
hinzu… mit dem wir mehr anfangen können.«
*
Sein Geist erwachte, und es war wie ein Emportauchen aus der
Finsternis.
Ich bin Björn Hellmark, sagte er sich, doch im gleichen
Moment, als der Gedanke an seine Identität mit erwachte,
mußte er schon wieder revidieren.
Nein! Ich bin Macabros, erfüllt mit dem Geist Hellmarks. Mein
Körper aus Fleisch und Blut ist gefangen im Schreckens-Zentrum
Rha-Ta-N’mys, in das Molochos, der Dämonenfürst, sich
eingenistet hat.
Noch ist Leben in diesem gefangenen Körper, auch wenn ich
es… wenn ich ihn nicht mehr spüre.
Molochos hat ewige Gefangenschaft prophezeit. Auf der Schwelle
zwischen Wachsein und Träumen soll mein Geist schweben… Ich
weiß nicht, ob es stimmt, denn ich habe den Kontakt zu meinem
Körper aus Fleisch und Blut verloren, ich weiß nicht, was
mit ihm geschieht und ob es ihn noch gibt…
Aber es war etwas geschehen, das anders war als sonst.
Der Doppelkörper existierte… noch immer. Wie lange
schon? Macabros kam es vor wie eine Ewigkeit, seitdem ihn die sich
überstürzenden Ereignisse in Rha-Ta-N’mys
Schreckenszentrum in das Nichts katapultiert hatten. Obwohl keine
direkte Verbindung zu seinem Körper aus Fleisch und Blut mehr
existierte, war er trotzdem präsent und konnte sich halten.
Er war noch immer überzeugt davon, daß seine
rätselhafte Reise ins Ungewisse fortdauerte, als er bemerkte,
daß er auf festem Boden lag und sich nichts mehr bewegte.
Macabros erhob sich augenblicklich.
Wo war er angekommen?
Wie lange hatte seine Reise durch das Nichts gedauert? Auf beide
Fragen gab es vorerst keine Antwort.
Doch da waren Geräusche.
Ein fernes Murmeln und Klirren erregte seine Aufmerksamkeit.
Macabros warf einen Blick in die Runde, um sich zunächst mit
seiner neuen Umgebung vertraut zu machen. Das Gelände war
steppenartig, hügelig. Es gab einzelne, sehr dünne und
zerbrechlich aussehende Bäume, hie und da auch Baumgruppen,
direkt vor ihm einen Wald. Von dorther drangen die
Geräusche.
Zwischen den dichtstehenden Stämmen herrschte gespenstisches
Dunkel.
Die Geräusche hörten sich manchmal so furchtbar an,
daß sie einen anderen uneingeweihten Zeugen in dieser
unbekannten
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