Macabros 113: Die Wahnsinnskugeln
wahrgenommen
hatten.
Die Luft war düster, die Atmosphäre unheimlich. Die
Schnitzereien der Totems verursachten Furcht.
Rani Mahay sah sich in einen wildwuchernden, alles verschlingenden
Dschungel versetzt. Unheimliche Geräusche erfüllten die
Luft, in dem undurchdringlichen Dickicht rumorte, raschelte und
piepste es, Ächzen war zu hören.
Und – ein gieriges Schmatzen.
Mahay war sofort auf den Beinen.
Etwas in dieser plötzlich veränderten Umgebung kam ihm
bekannt vor.
Die riesigen Blüten fremdartiger Blumen, die zwischen hohen
Gräsern und Farnen hervorschauten.
Die Geräusche kamen aus den Kelchen, von denen jeder eine
eigene Farbe, eine eigene Form hatte.
Manche sahen aus wie groteske, in Angst zusammengekauerte
Menschen, andere wie Tiere verschiedener Gattung.
Die Farben Rot und Schwarz überwogen, die Blüten wanden
sich in konvulsivischen Zuckungen.
Tamuurs Zaubergarten!
Rani Mahay stand da wie erstarrt, als ihm dieser Gedanke kam.
Tamuur, der scharlachrote Zauberer, spielte eine besondere Rolle
in seinem Leben und seinem Schicksal.
Tamuur, der Scharlachrote, war ein Trauma von ihm. Seine
Lieblings-Tigerin Chitra war dem Unheimlichen zum Opfer gefallen.
Tamuur hatte sie wie alle seine Opfer in unheimliche Blüten und
Pflanzen verwandelt.
Rani stöhnte, als er eine Bewegung zwischen den Farnen und
mannshohen Blütenstengeln wahrnahm.
Er warf den Kopf herum.
Er wollte nicht glauben, was er sah.
»Chitra?« fragte er ungläubig. Die Tigerkatze
wandte den Kopf, hörte sein Flüstern, erkannte ihn –
und man sah förmlich, wie sie erstarrte.
Aber sie kam nicht mehr dazu, sich ihm zu nähern.
Es ging alles so schnell, daß Rani Mahay den Ablauf der
Dinge im einzelnen nicht mitverfolgen konnte.
Die Raubkatze streckte sich plötzlich.
Die Hälfte ihres Körpers steckte in einem
scheußlich aussehenden, schleimigen Blütenkelch, der wie
ein gieriges Maul zuschnappte.
Die Pflanze veränderte Form und Farbe.
Ein klägliches Schreien hallte langgezogen durch diese
düstere Dschungelwelt, in der das Sterben zum Alltag
gehörte.
Die Blüte nahm eine mittelbraune Farbe an, auf der sich das
schwarze Tupfenmuster, die Zeichnung des Tigerfells, wiederfand.
Chitra war zu einer menschenfressenden Blume geworden, zu einem
Geschöpf im magischen Garten Tamuurs!
Aber – das alles lag schon so lange Zeit zurück und
gehörte einem anderen Abschnitt seines Lebens an, den er nun mit
jeder Faser seines Herzens wieder erlebte, und zwar so intensiv,
daß er spürte: lange kann ich das nicht ertragen!
*
Jeder einzelne wurde einer eigenen Erlebnis-Hölle
preisgegeben.
Danielle de Barteaulieé fand sich im Innern eines
düsteren, fensterlosen Tempels wieder, in dem an massigen, mit
grauenhaften Darstellungen versehenen Säulen Fackeln brannten,
die ein rußiges, unruhiges Licht spendeten.
Jammern und Klagen war zu hören. Die Schreie hallten durch
die Luft, ohne daß zu erkennen war, wer sie von sich gab.
Danielle hielt den Atem an, ging mit unsicheren Schritten zwischen
den Säulen mit den gräßlichen Steingestalten
entlang.
Mitten in dem domartigen Tempel stand ein Altar.
Am Kopfende trug er ein Symbol: das Abbild eines riesigen
schwarzen Vogels, der die Schwingen ausbreitete.
Danielle de Barteaulieé war verwirrt.
Irgendwie kam ihr diese Szene vertraut vor. Sie wußte,
daß sie so etwas Ähnliches schon mal erlebt hatte.
Ein kleiner Tempel… ein Altar, zu Ehren der
Dämonengöttin Rha-Ta-N’my errichtet, die oft als
schwarzer Vogel dargestellt wurde. Wie sie wirklich aussah,
wußte kein Mensch.
Was sie sah und erlebte, war vertraut und doch fremd. Es packte
sie und erschütterte sie bis ins Innerste…
Auf dem glattgeschliffenen Stein schimmerte es feucht und rot.
Frisches Blut!
Auf diesem Altar war ein Opfer dargebracht worden. Eins – zu
Ehren Rha-Ta-N’mys.
Hier – war ein Mensch getötet worden!
Dieser Gedanke und das Ereignis waren eins.
Der Schatten auf dem Altar sprang sie plötzlich an.
Danielle duckte sich instinktiv, konnte ihm aber nicht mehr
ausweichen.
Sie erhielt einen Schlag gegen den Kopf, der sie sekundenlang
betäubte.
Dann folgt ein Stoß in die Seite.
Danielle de Barteaulieé flog auf die Altarplatte.
Unsichtbare Hände hielten sie fest.
Rha-Ta-N’mys Rache!
Die Dämonengöttin stand in einer besonderen Beziehung zu
ihr.
Danielles Vater, der berühmt-berüchtigte Comte de Noir,
hatte Rha-Ta-N’my und ihre Schergen hintergangen. Er hatte
für
Weitere Kostenlose Bücher