Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt
für
Linda Tanner da gewesen war.
Ein Mensch, der sich verdoppeln konnte.
Davon hatte sie schon gehört.
Aber glauben wollte sie nicht daran…
*
Es war sowieso alles viel zu verwirrend, und die Dinge
entwickelten sich in einem Tempo, daß sie nicht dazu kam, sie
im einzelnen zu überdenken und zu erfassen.
Draußen auf dem Korridor waren schnelle Schritte zu
hören.
»Schwester!« hallte laut eine Stimme an ihre Ohren.
Mit harter Hand wurde an dem Torgitter gerüttelt, das
verschlossen war.
»Gehen Sie hinaus, schnell«, forderte Hellmark die
Krankenschwester auf, um sie erst gar nicht zum Nachdenken kommen zu
lassen. »Ehe es hier auf der Station zu einem Aufstand
kommt…«
Die Frau nickte und rannte hinaus.
Richard Patrick war schon am Bett bei der jungen Patientin, deren
körperliche Situation sich – seitdem sie sie an der Decke
steif und freischwebend entdeckten – grundsätzlich
verändert hatte.
Björn tauchte an der Seite des Freundes auf.
Linda Tanner zappelte wie ein Fisch an der Angel, schlug um sich,
strampelte wie ein Kind und warf wie in einem Krampf ihren Kopf hin
und her.
Die Starre war von ihr abgefallen, ihr Schrei war verstummt.
Erst die totale Starre – jetzt eine nicht minder
erschreckende Lebendigkeit. Irgendein Vorgang hatte etwas in Bewegung
gesetzt.
Der Sturz von der Decke – hatte er einen heilsamen Schock
ausgelöst, der den ersten wieder aufhob?
Richard Patrick und Björn Hellmark hatten beide Hände
voll zu tun, Linda Tanner in ihrem Bett zu halten.
Unablässig bewegte sie ihre Lippen und redete, aber mit einer
solchen Geschwindigkeit, daß es schwer war, ihr zu folgen und
den Sinn ihrer Worte zu verstehen.
Es schien, als wolle sie alles, worüber sie seit den
vergangenen drei Tagen gezwungenermaßen schweigen mußte,
sich mit einem Mal von der Seele reden.
»Ein Band- oder Diktiergerät, schnell!« verlangte
Björn Hellmark, als der verdutzte Stationsarzt und drei, vier
weitere verwirrt und ängstlich dreinblickende Angehörige
des Pflegepersonals in der Zimmertür auftauchten. »Sie
spricht… aber zu schnell… so kann normalerweise kein Mensch
reden… aber alles, was Miss Tanner seit ihrer nächtlichen
Begegnung auf dem Friedhof erlebte und durchmachte, kann man
schließlich nicht als normal bezeichnen… Hier geht es
offensichtlich um ein außergewöhnliches Spuk- oder
Poltergeist-Phänomen! Eine Form von Besessenheit… Linda
Tanner ist nicht krank im medizinischen Sinn, das zeigt eindeutig die
Tatsache, daß alle Erklärungen bisher nicht ausreichten,
ihren Zustand einzukreisen. Hier geht etwas anderes und mehr vor, als
alle, die davon betroffen sind, wahrhaben wollen. Vielleicht
erwischen wir jetzt einen Zipfel des Geheimnisses. Sie spricht…
sie macht Mitteilungen, zu schnell für unsere Ohren… aber
ein Band kann man langsam ablaufen lassen.«
Der Arzt reichte ihm wortlos das flache Diktiergerät, das er
in seiner Kitteltasche bei sich trug.
Hellmark schaltete es ein, ließ es ebenfalls schneller als
Normalgeschwindigkeit laufen und hielt die Stelle mit dem eingebauten
Mikrofon Linda Tanner vor den Mund.
Die merkte das nicht mal, hielt die Augen geschlossen und
plapperte unaufhörlich darauf los.
»Das ist unsere Chance, Doc«, wisperte Hellmark, als der
Arzt am Kopfende des Bettes auftauchte und wortlos da mit anpackte,
wo Hilfe dringend notwendig war. Linda Tanners Körperkräfte
schienen sich unablässig zu potenzieren.
Sie wollte sich losreißen, offensichtlich weg von hier.
»Miss Tanner… Linda!« rief Hellmark und
tätschelte die Wangen des jungen Mädchens. Sie fühlten
sich heiß und fiebrig an. »Können Sie mich
hören?«
»Ja, ja, ja…« Die Antwort hörte sich an wie
das Rattern eines Maschinengewehres.
Sie reagierte.
Egal, wie.
»Wie fühlen Sie sich?«
»Gut… schlecht…«
Er glaubte, auch diese doppelsinnige Antwort verstehen zu
können.
Sie meinte verschiedene Ebenen ihres Bewußtseins und merkte,
daß sie ihre körperliche Freiheit zurückgewonnen
hatte, aber andererseits noch ganz im Bann der Dinge stand, die in
jener fraglichen Nacht auf dem Friedhof passiert waren.
»Ihre Schwester, Linda… wissen Sie etwas über Ihre
Schwester?«
Noch immer dieses ungewöhnlich schnelle Sprechen…
Aber ein paar Worte wurden bruchstückhaft
verständlich.
»Grab… sie… gezogen ins Grab!«
Und dann veränderte sich ihr Verhalten.
Im nächsten Augenblick wurde sie völlig ruhig, als
würde plötzlich ein starkes
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