Macabros 122: Doc Shadow - Geist der Schattenwelt
gingen
in die Hocke und teilten die Gaben aus, die wir so reichlich
mitgebracht hatten. Die kaninchengroßen Biester kannten keine
Scheu und keine Furcht. Gierig stürzten sie sich auf die
Speisen.«
»Dabei krabbelten sie euch zwischen den Füßen
herum, stiegen euch auf Arme, Beine und sogar auf die
Schultern…« Linda und Helen sprachen es mit den gleichen
Worten fast zur gleichen Zeit aus.
Jene Nacht der Mutprobe erstand wieder voll in ihrer Erinnerung.
Details fielen ihnen ein.
Die Ratten benahmen sich wie verrückt und dann war das
gestartete Unternehmen mit einem Mal nicht mehr nur unangenehm,
sondern wurde riskant.
Die Nager knabberten schließlich auch noch an den
Händen derjenigen, die sie gefüttert hatten.
Haymes und Gaites wurden gebissen und hatten alle Mühe, die
Ratten von sich abzuschütteln, um heil aus der verrückten
Geschichte herauszukommen.
Wie von Furien gehetzt, rannten sie durch die Korridore,
stürzten über die Treppe nach oben – und die Ratten
liefen hinter ihnen her.
Gaites zerschmetterte einer den Kopf, als sie sich an seinem
Fußgelenk festbiß.
Als die Flüchtenden schon auf der Straße waren, jagten
vereinzelt Ratten noch immer hinter ihnen her.
Drei Straßenecken weiter erwischten die vier vom
»harten Kern« ein Taxi. Die Ratten sprangen selbst den
Wagen noch an. Zwei von den Nagern wurden unter den Reifen
zermalmt.
»Das war recht aufregend damals«, schloß Frank
Haymes.
»Das kann man wohl sagen«, nickte Gaites. »Und es
gab einigen Krach und Ärger zu Hause, als ich mich am
darauffolgenden Morgen in ärztliche Behandlung begeben
mußte.«
Frank Haymes’ Verletzungen mußten ebenfalls behandelt
werden, und sie bekamen Spritzen.
»Die Mutprobe von damals liegt ja schon ein paar Jahre
zurück«, überlegte Gaites. »Vielleicht sollten
wir wieder mal so etwas machen.«
Das war der Keim, und die Saat ging auf.
Sie überlegten, was besonders aufregend sei und
außergewöhnlichen Mut erfordere.
Jeder äußerte seine Vorstellungen.
»Ich fände es aufregend, zwischen zwei Wolkenkratzern
ein Seil zu spannen und ohne Netz in schwindelnder Höhe die
Straßenschlucht zu überqueren«, ließ Linda
Tanner sich vernehmen.
»Undurchführbar«, schüttelte Haymes den Kopf.
»Das ist was für Artisten, aber nicht für uns. Wie
wär’s denn mal mit was – Gruseligem?«
»Ratten hatten wir doch schon«, winkte Gaites ab.
»Ich denke an etwas anderes…«
»Dann spuck’s aus«, meinte Helen.
»Wie wär’s mit einer Nacht in einem
Wachsfiguren-Kabinett?«
»Oder um Mitternacht in einem Leichenhaus«, meldete
Michael Gaites sich zu Wort.
»Vielleicht wäre auch ein Spaziergang auf einem
nächtlichen Friedhof ’ne Mutprobe«, schlug Linda vor.
»Viele Menschen haben Angst davor, nachts auf dem Friedhof zu
sein.«
»Mir wäre auch nicht besonders wohl bei dem
Gedanken«, bestätigte Helen.
»Friedhöfe haben eine eigenartige Atmosphäre…
gerade nach Einbruch der Dunkelheit«, sagte Frank Haymes.
»Hängt wahrscheinlich damit zusammen, daß zu viele
Geistergeschichten im Umlauf sind.«
»Vielleicht ist nachts dort wirklich etwas Besonderes los.
Möglich, daß Leichen aus ihren Gräbern steigen und
sich an der hundertjährigen Eiche zum gemütlichen Plausch
treffen«, grinste Gaites.
Die Idee stand im Raum und nahm greifbare Formen an.
Das mit dem Spaziergang auf nächtlichem Friedhof zwischen
Gräbern und Grabsteinen weckte so etwas wie spontane
Begeisterung bei denen, die es sich ausgeklügelt hatten.
»Die ganze Clique ist mit von der Partie«,
verkündete Haymes seinen Gästen. »Wir verlegen den
Rest der Party auf den Friedhof. Im Morgengrauen gibt’s Kaffee,
den ich spendiere. Die Girls kochen ihn, und wir transportieren ihn
in Thermoskannen mit uns. Als Tisch suchen wir uns die
größte Grabplatte aus.«
Die meisten grinsten, fanden die Idee absurd und gaben zu
erkennen, daß sie es besser fänden, hier zu bleiben und
nicht aufzubrechen, wie Frank Haymes meinte.
»Was versprecht ihr euch denn davon?« fragte Anne, eine
dralle Brünette mit Schlafzimmerblick und rotem Kußmund,
auf dem das Rot des Lippenstifts nur noch als Spur zu erkennen war.
Anne hatte in dieser Nacht schon zuviel geküßt. »Ich
finde einen Spaziergang nachts über den Friedhof schrecklich.
Ich finde Friedhöfe überhaupt gräßlich…
egal zu welcher Tageszeit.«
»Nachts aber bestehen die besten Chancen, einer Leiche zu
begegnen«, meinte ein anderer Party-Teilnehmer, ein
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