Macho-Mamas
herausgefunden. Forscher befragten Familien aus Branchen mit besonders flexiblen Arbeitsverhältnissen nach ihren Strategien zur Vereinbarkeit von Beruf und Familie. Dabei stellten sie fest, dass die flexiblen Familien zwar äußerst kreativ sind in dieser Frage und alle es irgendwie schaffen – aber zu einem hohen Preis. Einen «bedenklichen Grad von Belastungen» stellt die Studie fest und schließt: «Auch wenn das Vereinbarkeitsmanagement und die Organisation der täglichen Betreuung und Versorgung letztlich klappen, bleibt die Gemeinsamkeit, die Lust am Familienleben zunehmend auf der Strecke.» Mit anderen Worten, flexible Familien sind besonders gefährdet für Burn-out.
Diesen Befund kann ich bestätigen. Die vielleicht eindrücklichste Erfahrung in der jungen Familie ist ja, wie das eigene Leben mit anderen plötzlich existentiell zusammenhängt. Es gibt nicht mehr meinen Raum und meine Zeit. Alles vermischt sich. Aber auch Erwerbs- und Privatleben lassen sich nicht mehr klar auseinanderhalten, denn Mutterschaft kann ich nicht ablegen, wenn ich aus dem Haus gehe. Umgekehrt nehme ich meine Arbeit, wenn ich sie bis um fünf nicht erledigt habe, mit nach Hause. Das ist anstrengend, aber für die meisten Familien eine Realität, denn dank langer Ausbildungszeiten und spätem Berufseintritt fällt die aktivste berufliche Phase meist mit der aktiven Familienzeit zusammen. Soziologen nennen diese Jahre auch Rushhour des Lebens.
Aber vielleicht liegt dem Begriff auch ein großes Missverständnis zugrunde. Vielleicht müsste man Work-Life-Balance nicht so sehr als Ideal verstehen, das es uns ermöglicht, ganz entspannt alle Anforderungen der Arbeit, der Familie und die eigenen Bedürfnisse locker unter einen Hut zu bringen. Vielleicht muss man beginnen, den Begriff auf die Lebensspanne als Ganzes anzuwenden, in der die Familienphase eben nur ein kurzer Abschnitt ist. Und natürlich gerät in Stress, wer während dieser Phase auch gleich noch ein neues Familienmodell ausprobiert und sich nicht in die traditionellen Rollen schickt.
Doch auf lange Sicht lohnt es sich trotzdem, auch wenn man kurzfristig aus der Balance gerät. Wenn Männer sich neben der Arbeit mehr in der Familie engagieren, gewinnen sie eine tiefere Bindung zu ihren Kindern, was später, wenn sie selbständiger werden, zu einer stabileren Beziehung führt. Frauen, die auch als Mütter im Berufsleben bleiben, gewinnen – weil sie sich nicht ausschließlich über Mutterschaft definieren müssen, was sich vor allem später auszahlt, wenn die Kinder ausgezogen sind. Und die Kinder gewinnen, weil die Eltern nicht in Versuchung kommen, ihre gesamte Energie in die Kinderaufzucht zu stecken, denn das ist für den Nachwuchs oft beengend und hemmt eine ungestörte Entwicklung zu selbstbewussten Individuen.
Und wenn Ihre Kinder Sie als permanent gestresste Mutter wahrnehmen, umso besser. Dann wissen sie nämlich, was wirklich auf sie zukommen wird, wenn sie später mal eine Familie gründen wollen.
Epilog
Der Tag war grau und nass und sein Licht bereits erloschen. Macho-Mama hüllte sich in ihren warmen Mantel, während sie zügig durch Zürichs Industriequartier schritt und Ausschau hielt nach dem Studio des Lokalfernsehens. Es war der 23. Dezember, ihr letzter Arbeitstag des Jahres. Wenige Stunden trennten sie von den dringend benötigten Ferien. Allerdings hatte sich noch etwas dazwischengedrängt. Eine gute Nachricht: Der Blog, den sie mit der anderen Macho-Mama schrieb, erhielt eine Auszeichnung. Oder vielmehr seine Autorinnen, die Macho-Mamas. Damit hatten sie nicht gerechnet, und es war erfreulich. Aber noch mehr. Der Preis markierte einen Wendepunkt.
Zum ersten Mal hatte ein Online-Titel das Rennen gemacht. Der Blog war zum Vorzeigeprojekt geworden, zum Stolz des Ressorts und der Chefs, die sich über die unverhoffte Publizität freuten. Denn es gab Interviews und Fernsehauftritte, die beiden Macho-Mamas mussten sich den Fragen von Journalisten stellen und konnten ihre Arbeit erläutern. Das bedeutete auch: Sie mussten nebeneinander bestehen. Macho-Mama fand den Eingang in einem Hinterhof. Sie schluckte ihre aufkeimende Panik, während sie auf den Aufzug wartete. Es war der erste Auftritt, den sie zusammen mit der Koautorin vor einer Kamera absolvierte. Im Lift nach oben schwindelte ihr vor Versagensängsten. Konnte sie das? Würde sie zu antworten wissen? Wie würde sie mit Kritik umgehen? Und würde sie gut aussehen? Der Lift hielt,
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