Macho-Mamas
zweier Frauen erzählt werden, die einen Traum hatten, aber sonst wenig gemein. Die eine wuchs in einem Einfamilienhaus auf dem Land auf, die andere in einer Siedlung in der Vorstadt. Die eine konnte als Kind aus gutem Hause schon in der ersten Klasse davon ausgehen, dass ihre Laufbahn lang und erfolgreich sein würde. Die andere wusste lediglich, dass die Schulpflicht neun Jahre dauert und dass ihr nichts geschenkt würde.
Doch ihr Traum verband sie mehr, als die Milieus sie trennten: Beide wollten irgendwann erwachsen und selbständig und frei sein. Sie glaubten an eine Chance, die irgendwo für sie bereitliegen würde. Vielleicht war es aber auch umgekehrt, und es war nicht ein Traum, der sie antrieb, sondern ein Alptraum. Darin kamen Frauen mit Lockenwicklern und einer fleckigen Schürze vor Bauch und Busen vor. Sie lehnten sich zur Mittagszeit aus dem Fenster und fragten die Nachbarin durch Wolken von Bratfett, was sie denn ihrem Mann und ihrer Familie zu Mittag richteten.
Von der Welt wussten die beiden Mädchen damals noch wenig. Aber im Einfamilienhaus wie in der Siedlung brachte Papa die Kohle nach Hause und Mama die Einkaufstaschen. Beide Mädchen verschwanden im Kindergarten nie freiwillig in der Puppenecke, weil sie gelernt hatten, dass man dort zwar die besseren Freundinnen findet, es aber viel aufregender war, mit den Jungs herumzutoben. Vielleicht war das noch nicht wirklich wichtig, aber bereits damals begannen sie zu ahnen, dass es dabei nicht bleiben würde. Und sie ahnten außerdem, dass es nicht reichen würde, die Spielregeln zu kennen, um dort mitzumischen, wo es aufregend war. Schon damals waren die Jungs nicht besonders daran interessiert, die Mädchen mitspielen zu lassen – geschweige denn, ihre Spielregeln zu ändern. Dafür interessierten sich die Jungs für seltsame Dinge, wie etwa dafür, was die Mädchen unter ihren Röcken trugen. Und es schien ihnen besonders Spaß zu machen, ihrerseits die Spielregeln zu brechen und einfach nachzuschauen, vor allem, weil sie merkten, wie sehr das die Mädchen ärgerte. Besonders wenn diese gerade mit etwas ganz anderem beschäftigt waren, etwa damit, mit einer Freundin über eine Dritte zu lästern.
Irgendwann setzte eins der Mädchen dem Treiben ein Ende, indem es sich ohne Unterhose auf den Pausenplatz stellte, was die Jungs, als sie es entdeckten, dermaßen schockierte, dass das Röckelüpfen ein für alle Mal erledigt war.
Wer sich jetzt an die eigene Mädchenzeit erinnert fühlt, oder wer von den Männern jetzt ahnt, dass das Mädchen ohne Unterhose damals in der Bank hinter ihm saß, liegt nicht falsch. Denn Träume und Erfahrungen verbinden eine ganze Generation. Und zwar viel stärker, als wir es in unseren individualistischen Vorstellungen über uns selbst glauben. Wir mögen von unseren Eltern, unseren Genen, unseren Milieus geprägt sein. Aber Erfahrungen teilen wir vor allem mit den Menschen unserer Generation. Und auf jedem Pausenplatz gab es ein Mädchen, das die Spielregeln zu ihren Gunsten veränderte.
Knapp dreißig Jahre später hatten die beiden Frauen selber Kinder, interessante Jobs als Journalistinnen – und sie schrieben zusammen einen Blog, der einige Resonanz fand. Sie arbeiteten viel und ernteten dafür Anerkennung. Sie waren ihrem Traum gefolgt und der Falle aus Lockenwickler, Bratfett und Mittagstisch entronnen. Allerdings lehnten auch sie sich in jeder Hinsicht aus dem Fenster: was ihre Kinder, ihre Arbeit, ihre Lebenspartner betraf.
Am weitesten aber lehnten sie sich aus dem Fenster, um sich gegenseitig anzugiften, als der Blog ein Erfolg wurde – und als es darum ging, wessen Verdienst das war. Fast hätte der Streit darüber den Blog beendet. Die beiden Frauen waren impulsiv und angriffslustig genug, um sich in die Haare zu geraten. Und sie waren eitel genug, um zu merken, dass ihnen das nicht besonders schmeichelte. Das Journalistenmilieu bot für ihren Zickenkrieg einen fruchtbaren Boden.
Der Zwist, den sie ausfochten, steht am Anfang, weil er den Macho in den Mamas geweckt hat und gleich das erste der Märchen entsorgt, mit denen dieses Buch aufräumen will: das Märchen von der solidarischen Frau, der Harmonie über alles geht, vor allem über ihre Karriere. Und er steht am Anfang, weil den Macho-Mamas im Verlauf vieler Berufsjahre eingeschärft wurde, dass der Leser etwas geboten bekommen will, dass ihn nach Emotionen dürstet und nach konkreten Details. Erzählen wir also von den beiden Mamas.
Es
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