Machtkampf
Inwieweit er die technische Raffinesse mit der Handy-Rufweiterschaltung schon länger geplant hatte oder ob ihm die Idee dazu erst kam, als er das Handy des Tanzlehrers so geschickt an sich nehmen konnte, bleibt wahrscheinlich ein Rätsel.«
Vanessa hakte ein: »Jedenfalls haben die Frauen seine teuflischen Pläne gründlich vermasselt.« Sie grinste zu Linkohr hinüber.
»Wie das halt so ist mit den Frauen.«
»Was mich aber schon interessieren würde«, ließ sich Vanessa nicht beirren, »wer war nun eigentlich der letzte Besucher auf Hartmanns Hochsitz?«
»Natürlich jemand, der ihm sozusagen den Rest gegeben hat«, erwiderte Häberle. »Mit ziemlicher Sicherheit der Mompach. Denkt an den Knopf, mit dem er sich verraten hat. Als er seinen Arbeitsanzug verbrannt hat, hat er genau das Gegenteil dessen erreicht, was er wollte.« Häberle grinste zufrieden. »Nachdem wir den Fund des Knopfes aus dem Hochsitz in den Medien veröffentlicht haben, haben wohl einige Herrschaften erst erkannt, was sie möglicherweise in der Asche seiner Feuerstelle gefunden haben.«
»Aber trotzdem«, gab sich Vanessa damit nicht zufrieden, »Hartmann hat doch noch auf jemanden gewartet da oben … Da war doch der Sekt …«
»Das Geheimnis hat er mit ins Grab genommen. Es sei denn, wir finden noch jemanden, der an besagtem Dienstag vor sechs Wochen schmutzige Schuhe hatte«, verzog Häberle sein Gesicht zu einem Lächeln und sah zu Linkohr. »Unser Kollege hier hat jedenfalls nichts davon ins Protokoll geschrieben, ob er beim Besuch der Schulleiterin schmutzige Schuhe entdeckt hat.«
»Wahrscheinlich hat er woanders hingeguckt«, stichelte ein Kollege und wurde noch direkter: »Hätte die Dame ein kurzes Röcklein getragen, wären ihm vielleicht dann nebenbei auch die verdreckten Schuhe aufgefallen.«
Linkohr wollte nichts dazu sagen und sah verstohlen zu Vanessa, die prustend loslachte und für allgemeine Heiterkeit sorgte.
Erst nach und nach sickerte an die Öffentlichkeit, was in Hua Hin geschehen war. Auf Drängen von Georg Sander und Kerstin Wecker sah sich die Staatsanwaltschaft schließlich fünf Tage später, dem darauffolgenden Montag, zu einer Pressekonferenz genötigt, zu der ein knappes Dutzend Journalisten in den Konferenzraum der Ulmer Staatsanwaltschaft gekommen war.
Christof Schwehr, der neue Behördenchef, hieß die Medienvertreter willkommen und rekapitulierte die Ereignisse der vergangenen sechs Wochen – beginnend mit dem Selbstmord Hartmanns bis zum Tod »des Landwirts, dessen Name Ihnen ja bereits hinlänglich bekannt sein dürfte«. Er verfiel in einen langen Monolog, bei dem die Vertreter der Presse eifrig mitschrieben, und hatte nach 20 Minuten eine Überraschung parat: »Wir haben bewusst die Pressekonferenz um ein paar Tage verschoben, weil wir Ihnen einen abschließenden Bericht präsentieren wollten. Und der liegt uns seit Kurzem aus Thailand vor. Die Kommunikation mit den dortigen Behörden läuft über uns, das Bundeskriminalamt und die Botschaft – und sie hat erfreulicherweise sehr gut funktioniert.« Er räusperte sich und sah bedeutungsschwanger in die Kamera von Regional TV: »Es ist den Behörden in Thailand gelungen, den Erpresser dingfest zu machen. Es handelt sich um einen russisch-stämmigen jungen Mann, der bei Max Hartmann beschäftigt war und sich dessen Immobilie in Thailand sowie eine größere Geldsumme hatte aneignen wollen, die – ich will es mal vorsichtig formulieren – aus fragwürdigen Geschäften stammte. Der Mann hat eingeräumt, dass es bei der Geldübergabe zu einer Konfrontation gekommen sei. Er habe sein Opfer aber nicht getötet, sondern lediglich in die Flucht geschlagen.« Der Leitende Oberstaatsanwalt sah kurz zu den Journalisten. »Die Behörden gehen davon aus, dass sich der Verstorbene selbst das Leben genommen hat. Die Obduktion hat die Einnahme eines Pflanzenschutzmittels erbracht. Ein solches lagert auf dem Abstellplatz der Hotelgärtnerei. Der Verstorbene hat es demnach nach der Konfrontation mit dem Erpresser zu sich genommen und ist dann in den Pool gesprungen.« Erst jetzt wandte Schwehr wieder den Blick von der Kamera. Er hat sich offenbar wie ein Nachrichtensprecher gefühlt, dachte Sander, der wieder einmal den Hauptermittler des Falles, nämlich August Häberle, bei einer solchen Konferenz vermisste.
Häberle hatte seine engsten Kollegen an diesem Abend zum Pizzaessen ins ›Latino‹ eingeladen. Den Wirt, einen in Ehren ergrauten
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