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Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Madame Zhou und der Fahrradfriseur

Titel: Madame Zhou und der Fahrradfriseur Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Landolf Scherzer
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Schaufeln, werfen den Unrat in den am Fahrrad angehängten Müllwagen und schimpfen, wenn Vorübergehende neben ihnen auf den Boden rotzen. Doch einige der Beschimpften lesen sorgsam Papier auf und werfen es den Fluchenden in den Wagen.
    An den großen Kreuzungen stehen Frauen mit roten Fahnen und Megaphonen und versuchen durch Schreien, mit Trillerpfeifen und Fahnenfuchteln zu verhindern, dass sich die Massen bei Rot über die Straße wälzen.
    Doch alle Mühe ist umsonst.
    Klaus würde sagen: »So sind sie, meine Chinesen.« Und der Satz hat bei ihm einen fast zärtlichen Unterton.
    Ich bitte ihn, dass wir noch einmal am Tag durch das abgerissene Hutong fahren, in dem ich in der Nacht mit schweißnassen Händen ängstlich auf die Konturen des Verfalls gestarrt hatte.
    Es befindet sich in der Nähe des Compounds. Noch nicht alle Häuser sind zertrümmert worden. Einige stehen leer. Anstelle der Fenster, Löcher in den Wänden. Und auf den Haufen von Steinen und Schutt liegen rote Transparente.
    »Wohlstand für alle« und »Der Aufbau Chinas ist sieghaft«.
    Der nächtliche Kadaver einer Kuh entpuppt sich bei Tag als der Rest eines Kohlehaufens.
    Als wir zurückfahren, bitte ich Klaus: »Lass mich noch dieinzwischen abgerissene Dachreiter-Werkstatt fotografieren.« Er fragt, weshalb ich am Ende meiner Chinareise ein Symbol der Zerstörung traditioneller chinesischer Handwerkskunst anschauen möchte.
    Ich weiß es nicht.
    Aber er fährt mit mir an den Stadtrand. Die Nachbargebäude der Werkstatt sind bis auf die Grundmauern abgetragen. Die Dachreiter-Werkstatthallen stehen noch, und im Hof sind Drachen und Affen, Phönixe und Pferde versammelt. Unbemalt. Tonfarben nackt.
    »Nicht alles geht so schnell«, sagt Klaus anscheinend erleichtert. »Manche Wunder dauern auch in China länger.«
    Er schlägt vor, dass wir an meinem Abschiedsabend in Peking noch das seiner Meinung nach interessanteste chinesische Restaurant besuchen. Wir finden einen Parkplatz davor und irgendwann drinnen auch einen freien Tisch. Alles ist hier wie am Abend meiner Ankunft. An den Nachbartischen schieben die Chinesen, wenn sie auf ihrem Teller Platz brauchen, die Speisereste von ihrem Teller auf den Tisch, und wenn sie Platz auf dem Tisch haben wollen, die angenagten Hühnerfüße auf den Fußboden. Und sie schreien und schmatzen und rülpsen und trinken die Gläser trocken.
    Nur eines ist hier anders als damals im »Sichuan«. Man wählt die Speisen nicht aus einer buntbebilderten Karte. In der Mitte des Restaurants stehen Aquarien und meterlange Schalen. Darin schwimmen, kriechen oder zappeln Hummer und Krebse, Langusten und Muscheln und kleine und große Fische. Ich bin froh und könnte stundenlang sitzen und essen, schwatzen und trinken. Und die Knochen und Gräten von meinem Teller auf den Tisch schieben. Lediglich die roten Weihnachtsmannmützen auf dem Kopf der schönen jungen Bedienerinnen machen mir den Abschied aus dem Paradies der lukullischen Genüsse leichter.

    Im Restaurant
    Am nächsten Morgen, der Flieger geht am Nachmittag, rufe ich schon fast intuitiv noch einmal bei Frank, dem »MAD DOG« an. Und er ist wahrhaftig zu Hause. Aber hat natürlich keine Zeit. In einer Stunde treffen sie sich zur sonntäglichen Motorradausfahrt. Wenn ich möchte, sagt er, könnten wir uns am Ausgang des Compounds wenigstens noch verabschieden.

    Ein Mad Dog China aus Leipzig
    Als ich komme, wartet er schon. Er sitzt in der schwarzen Motorradkluft auf seiner Maschine. Mit süß-saurem Lächeln sage ich ihm, dass ich ausgerechnet ihn, der nur hundert Meter neben uns wohnt, nicht befragen konnte. Weder über das »Gelb-Fieber« noch über die von einem Engländer angeführten »Verrückten Hunde« in Peking.
    Der Leipziger sagt: »Man kann in China in so kurzer Zeit nicht alles erfahren.« Ich fotografiere ihn, als er seine Maschine aufheulen lässt, von hinten um das »MAD DOG CHINA« auf seinem Rücken zu Hause buchstabengenau abschreiben zu können.
    Dann verabschiede ich mich von der Halloweenhexe, von den Räuchermannels, den Dachreitern, dem Weihnachtsbaum,den chinesischen Masken und dem Terrakottakrieger vor der Veranda.
    Als Monika, Klaus und ich am Wachhäuschen vorbeifahren, steht der Junge nicht draußen.
    Und ich bin froh, dass keiner salutiert.

    Letzter Gruß

Informationen zum Buch
    Scherzer sucht im kleinen Alltag Chinas Größe

    Mit deutscher Ungeduld kommst du in China nicht weit, wird Landolf Scherzer gleich zu Beginn seines

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