Madame Zhou und der Fahrradfriseur
mehr vom Essen
Wir halten vor einer ockerfarbenen Villa mit türgroßen Fenstern. Neben dem Eingang, an dem kein Namensschild zu sehen ist, hängt ein ebenfalls namenloser Briefkasten, den zwei kleine Vögel – einer kommt geflogen und hat einen Zettel im Schnabel – zieren.
Im Haus schaut eine junge Chinesin, die in der Küche einen Berg Geschirr abwäscht, kurz von der Arbeit auf, lächelt mich aus ihrem sehr runden Gesicht an, nickt, als wolle sie mich mit einer kleinen Verbeugung begrüßen, und beugt sich dann wieder über das Abwaschbecken.
Sie ist schlank und trägt Jeans.
»Unsere Ayi, die Putzfrau«, erklärt Klaus. »Sie kommt regelmäßig zwei Mal in der Woche.«
Die Männer dagegen, die, was deutlich zu hören ist, im oberen Stockwerk hämmern und bohren (»In diesem Haus ist immer etwas zu reparieren.«), kämen zwar nicht regelmäßig,aber sehr oft, weil Handwerker in Peking meist keine ausgebildeten Klempner oder Elektriker sind, und ihre Reparaturen nur eine kurze Lebensdauer hätten. Sie gehören zur Millionenschar der Bauern, die als Wanderarbeiter in der Stadt Geld verdienen wollen.
Die zwei Männer tragen gelb-blaue derbe Arbeitsjacken aus Leinen. Der ältere meldet Klaus (so übersetzt er es mir später), dass die Heizung wieder dicht ist.
»Ein schönes Haus«, lobt der Chinese und fügt, als müsste er erst überlegen, ob er mit seinen Worten jemanden kränkt, stockend hinzu: »In diesem Haus könnten mindestens zwanzig Wanderarbeiter untergebracht werden. Für jeden 5 Quadratmeter.«
Als die Putzfrau und die Handwerker gegangen sind, parkt außer dem neuen großen VW von Klaus noch ein kleiner klappriger VW-Santana neben der Haustür. Er gehört Monika, der Ehefrau von Klaus. Obwohl sie täglich gemeinsam in einem Auto zur Arbeit ins Zentrum der Stadt fahren, brauchen sie in Peking zwei Autos, denn jeweils an einem Wochentag muss einer, je nach der Endziffer des Nummernschildes, sein Auto stehenlassen. Am Montag zum Beispiel darf kein Auto mit der Endziffer 1 oder 6 in Peking fahren. Wer sich nicht daran hält, zahlt eine Strafe von 100 Yuan (offiziell als Remenbi/ Volkswährung bezeichnet). Das sind gut 10 Euro.
Klaus rechnet mir vor, dass danach theoretisch in der 17-Millionen-Metropole, in der schon 5 Millionen Autos fahren und monatlich 50 000 neu zugelassen werden, durch diese Regel täglich 1 Million Autos weniger auf den verstopften Straßen unterwegs sein müssten. Theoretisch! Aber praktisch könnte man mit etwas Glück oder Geld für einen Zweitwagen eine andere Endzahl als die 1 oder 6 erhalten und damit an allen Tagen mit dem Auto fahren.
»Einhalten von Regeln bedeutet in China häufig, sie formell zwar zu erfüllen, aber sie dem Sinn nach zu umgehen.«
Empfang in Peking
Er zeigt mir das Haus. Unten befinden sich Flur, Bad, Küche, ein großes Wohnzimmer und die Veranda. Oben gibt es ein zweites Bad und drei kleine Zimmer. Im Wohnzimmer stehen auf Regalen und Fensterbrettern, auf Schränkchen und in allen freien Ecken des Fußbodens große und kleine, dicke goldene und dünne dunkelfarbene Buddhas aus Ton oder Bronze. Und an den Wänden hängen bunte chinesische Drachen, Masken und pastellfarbene Tuschzeichnungen.
»Das sammelt meine Frau.«
Über die Glasveranda gelangt man in den Garten, in dem auf braunem, vertrocknetem Gras winterlich kahle Sträucher und zwar angebundene, aber nicht mehr sehr lebensfähig aussehende Bäumchen stehen. Als ich durch die Terrassentür in den Garten gehe, erschrecke ich vor einem bisher nicht sichtbaren, mich überragenden Krieger aus Terrakotta, der einen mit roten Kordeln verzierten Spieß in der Hand hält. Er ist gelb, extrem schlitzäugig und hat den Schnurrbart spitz nach oben gezwirbelt, was gefährlich aussieht.
In einer Eckes des Gartens verkümmert ein mickriger Tannenbaum, dessen mit Erde verkrustete Wurzeln mit einem Netz zusammengehalten werden. Neben ihm ist ein Loch ausgehoben.
»Diese Krücke von einem Weihnachtsbaum hat unser Gärtner angeschleppt. Den soll er wieder mitnehmen«, schimpft Klaus.
Als wir einen Begrüßungsschluck getrunken haben und ich das Glas heftig auf den Couchtisch stelle, zucke ich zusammen, denn sofort ertönt ein schrilles krächzendes, sich mehrmals wiederholendes lautes Lachen. Zwischen den vielen Buddhas hatte ich die amerikanische Halloween-Hexe übersehen, die, sobald der Tisch erschüttert wird, dreckig lacht.
Die Ayi würde, wenn sie beim Putzen die Buddhas auf dem Tisch
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