Maenner in Freilandhaltung
werden, dann meine Schwester! Beim Gedanken daran, dass Ninas Ehe womöglich bereits nach so kurzer Zeit vor dem Aus stand, bekam ich feuchte Augen.
»Was läuft denn zwischen euch schief? Und warum erfahre ich davon erst jetzt?«, fragte ich streng und versuchte, mir meine Betroffenheit nicht anmerken zu lassen. »Warum hast du mir nicht schon früher von euren Beziehungsproblemen erzählt?«
»Irgendwie hatte ich wohl gehofft, dass es sich nur um ein paar Anfangsschwierigkeiten handelt und dass sich alles mit der Zeit einspielt«, sagte Nina, ohne meine Frage nach der Art der Probleme zu beantworten. »Außerdem weiß ich doch, dass du gegen die Hochzeit gewesen bist.« Ihre Stimme klang plötzlich nicht mehr verzagt, sondern trotzig wie die eines kleinen Kindes. »Du hast ja oft genug probiert, mir die Ehe mit Daniel auszureden.«
»Aber doch nur, weil ich der Meinung gewesen bin, dass dieser Schritt viel zu überstürzt war.« Um beurteilen zu können, ob Daniel der richtige Mann für Nina war, wusste ich gar nicht genug von ihm. Und Nina meiner Ansicht nach auch nicht! Als Nina und Daniel sich das Ja-Wort gegeben hatten, kannten sie sich gerade mal ein knappes Jahr. So viel Zeit benötigten weniger spontane Zeitgenossen – mich übrigens eingeschlossen –, um sich für einen Stromanbieter oder einen Mobilfunkbetreiber zu entscheiden. Über die Wahl des Lebenspartners sollte man möglicherweise ein paar Minuten länger nachdenken. »Große Liebe hin oder her, deine Stelle hier in Düsseldorf aufzugeben und zu Daniel ins Sauerland zu ziehen, hätte doch für den Anfang auch gereicht.«
Am anderen Ende der Leitung war ein empörtes Schnaufen zu vernehmen. »Und da fragst du noch, warum ich dir nicht früher erzählt habe, dass es in unserer Ehe kriselt? Wenn du jetzt noch ein ›Ich hab’s dir ja gleich gesagt‹ vom Stapel lässt, lege ich sofort auf.«
»Sorry«, sagte ich zerknirscht. »Ich wollte kein Klugscheißer sein. Du weißt, dass du jederzeit auf mich zählen kannst. Also: Was soll ich tun?«
»Ich brauche Abstand. Einfach mal ’ne Auszeit, um zu mir selbst zu finden und mir über einiges klar zu werden.«
»Klingt vernünftig. Aber wie kann ich dir dabei helfen? Möchtest du vielleicht zu mir nach Düsseldorf kommen, damit wir in Ruhe über eure Probleme reden können?«
Pia hob interessiert den Kopf. Ich hätte meinen Hintern darauf verwettet, dass sie sich keine Silbe des Telefonats entgehen ließ.
»Danke für das Angebot, aber ich muss wirklich mal allein sein, ganz allein, verstehst du?« Ninas Stimme zitterte ein wenig. »Die Sache ist bloß die: Ich hätte keine ruhige Minute, wenn ich wüsste, dass Daniel mit den Jungs allein ist.«
»Keine Angst, deine Männer verhungern schon nicht. So schwer ist es nicht, eine Tiefkühlpizza in den Ofen zu schieben. Mit ein wenig gutem Willen schaffen das sogar die Herren der Schöpfung.« Als Nina nichts darauf erwiderte, fuhr ich fort: »Weißt du, die Tiefkühlpizzen sind mittlerweile richtig gut.« Ich musste es schließlich wissen. Meinen Speiseplan konnte man mit Fug und Recht als ausgewogen bezeichnen: Er bestand zu etwa 50 Prozent aus Tiefkühlkost, die andere Hälfte setzte sich aus Fertiggerichten zusammen. »Die Hersteller müssen irgendwas an der Rezeptur verändert haben. Ich schätze, sie haben den Plastikanteil reduziert«, versuchte ich meine Schwester mit einem kleinen Scherz aufzumuntern.
Doch Nina schien gar nicht richtig zugehört zu haben. »Würdest du dich während meiner Abwesenheit um Daniel und die Kinder kümmern?«
»Ich könnte versuchen, Urlaub zu bekommen«, erwiderte ich zögernd. Nachdem wir in der Kanzlei monatelang in Arbeit fast ertrunken waren, hatte sich die Lage seit ein paar Tagen deutlich entspannt. Und Urlaub hatte ich noch reichlich. Selbst wenn ich nur den Resturlaub nahm, der sich angesammelt hatte, konnte ich im Sauerland bleiben, bis die Kinder volljährig waren. »Aber ich glaube nicht, dass ich für diese Aufgabe die Richtige bin. Du weißt doch, dass ich es mit diesem ganzen Hausfrauengedöns nicht so hab.«
»Keine Sorge, mir ist klar, dass du im Kochen, Waschen und Bügeln eine absolute Null bist«, brachte meine Schwester es wesentlich gekonnter auf den Punkt. »Aber das macht nichts. Lieber eine Null als eine unbekannte Variable. Mir kommt es vor allem darauf an, dass jemand, dem ich hundertprozentig vertraue, auf die Jungs und auf Daniel aufpasst.«
Die Art, wie sie dabei den Namen ihres
Weitere Kostenlose Bücher