Männer sind Helden
tausend Nadeln auf meinen Arm abgeschossen hätte. Mir wurde leicht schwarz vor Augen. Ich sah Rudi, der sich über mich beugte und mit der Hand meine Wange tätschelte. Einen Moment fühlte ich nur den Schmerz, meine sämtlichen Empfindungen befanden sich in meinem rechten Arm, mir wurde übel, doch zwei Sekunden später konnte ich dieses Gefühl unterdrücken. Rudi half mir auf die Beine und stellte mit einem Griff fest, dass nichts gebrochen war. Trotzdem beendeten wir unser Spiel. Rudi und ich stellten uns unter die Dusche, Heinz und Alfred wollten zu Hause duschen. Außerdem warteten ihre Frauen. Ich musste meinen verletzten Arm abwinkeln und kam mir vor wie Napoleon vor der Schlacht von Waterloo.
Auf dem Weg zu meiner Wohnung fiel mir auf, dass sich Susi noch immer nicht gemeldet hatte. Ich hatte das starke Bedürfnis, die Fürsorge einer liebenden Frau zu spüren. Ich stellte mir vor, wie sie an meinem Bett sitzt, um die kühlenden Tücher, die um meinen Arm gewickelt sind, zu erneuern. Wie sie mein Kopfkissen aufschüttelt, die Vorhänge zuzieht, damit die helle Sonne mich nicht blendet und wie sie mir schließlich mit zarter Hand eine heiße Brühe einflößt ... Dennoch beschloss ich, sie nicht anzurufen – sollte sie sich doch selber melden. Zu Hause angelangt, schob ich mir noch eine Pizza in die Mikrowelle und holte mir eine Flasche Wein aus dem Kühlschrank, die, ein Glück, schon geöffnet war. Nach dem Essen legte ich mich ins Bett und versuchte einzuschlafen, aber ich fand keine Ruhe. Ich wälzte mich von einer Seite auf die andere, Erlebnisse und Eindrücke gingen mir durch den Kopf, ich hatte das Gefühl, in einem Kettenkarussell zu sitzen. Schließlich stand ich auf, tapste ins Bad, wühlte in den Fächern des Alibert-Schrankes, bis ich endlich zwei Schmerztabletten fand. Ich schluckte sie hinunter, spülte mit zwei Schlucken Wasser aus dem Hahn nach und ging zurück ins Bett. Nach einer halben Stunde stellte sich die Wirkung ein. Der Schmerz im Arm ließ nach, nun hatte ich nur noch das Gefühl, dass sich mein Arm in einen riesigen Wattebausch verwandelt hatte. Irgendwann fiel ich in einen traumlosen Schlaf. Mitten in der Nacht wachte ich auf, weil jemand mit der Hand durch meine Haare strich. Schemenhaft erkannte ich eine Gestalt, die auf meinem Bettrand saß, und plötzlich durchfuhr mich ein Gefühl der Panik. Dann erkannte ich, dass Susi gekommen war. „Na, du alter Schuft“, flüsterte sie und zog meine Decke weg. Sie streichelte meinen Oberkörper, küsste mich sanft hinter meinem rechten Ohr und ließ ihre Hand nach unten gleiten.
Am nächsten Morgen konnte ich durch einen Blick auf meinen Radiowecker feststellen, dass ich verschlafen hatte. Es war bereits zehn Uhr, zum Glück hatte ich keine wichtigen Termine. Mein Arm schmerzte immer noch und war bedenklich angeschwollen. Susi war bereits zur Arbeit gegangen. In der Küche fand ich einen Zettel: „Hallo Liebling, hast du gut geschlafen? Erwarte dich heute um acht bei mir! Kuss, Susi.“ Aha, die Wogen hatten sich geglättet. Meine Stimmung wurde besser, denn ich hasse nichts mehr als Streit. Ich blickte aus dem Fenster. Draußen schien die Sonne, und der Himmel war fast wolkenlos, als kündige sich der Sommer an. Ich nahm mein drahtloses Telefon und holte mir einen Termin bei Udo. Udo ist Orthopäde, wir kennen uns schon aus der Schulzeit. Ja, er habe so gegen ein Uhr für mich Zeit, da könne er sich mal meinen Arm ansehen. Wie denn das passiert sei? Ich erzählte ihm von meinem Unfall, nicht ohne ihm meine pikanten Beobachtungen auf dem Platz nebenan mitzuteilen. Nachdem Udo aufgelegt hatte, rief ich Frau Rohrbein an und sagte ihr, dass ich erst nachmittags ins Büro kommen würde. Dann erledigte ich ein bisschen Haushaltskram und las die Frankfurter Allgemeine .
Als ich bei Udo ankam, hatte er einen Patienten im Untersuchungszimmer. Seine brünette Sprechstundenhilfe bat mich, ihr schon einmal ins Röntgenzimmer zu folgen. Ich trottete hinter ihr her und musste unwillkürlich auf ihren Hintern blicken. Für meinen Geschmack war er etwas zu rundlich, doch ihre Beine waren okay, braungebrannt und haarlos.
„Waren Sie im Urlaub?“, fragte ich sie, als sie meinen Arm auf dem Röntgentisch platzierte.
„Ja, auf Gran-Canaria, es war wunderschön, nur leider zu kurz.“
Sie brachte den Röntgenapparat in Position und befahl mir, schön still zu sitzen. Nachdem die Prozedur beendet war, führte sie mich ins Sprechzimmer von Udo.
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