Männer sind Helden
grünen Bohnen und als Nachtisch Vanilleeis mit heißen Himbeeren. Das Essen war wie immer vorzüglich. Meine Mutter ist eine perfekte Hausfrau und Gastgeberin – für meinen Vater als Mitglied der so genannten Gesellschaft nicht ohne Bedeutung.
„Deine Mutter hat mir immer den Rücken freigehalten“, sagte mein Vater, als wolle er meinen Gedanken fortführen.
Meine Mutter blickte ihn dankbar lächelnd an: „Das ist doch eine Selbstverständlichkeit. Eine Frau muss für ihren Mann und die Kinder da sein.“ Sie nahm ihre weiße, gestärkte Stoffservierte vom Schoß, führte sie zu ihrem Mund, um einen nicht vorhandenen Eistropfen abzutupfen. Dann richtete sie ihren Blick auf Susi und auf mich. „Und wann wollt ihr endlich eine Familie gründen?“ Ohne eine Antwort abzuwarten, fuhr sie fort: „Also die Hauschilds haben uns beim letzten Golfturnier schon wieder gefragt, wie es denn mit Enkelkindern aussieht. Na ja, und auf deine Schwester Caroline können wir ja noch lange warten. Mit dem Mann wird das bestimmt nichts.“
„Also, ich wünsche mir möglichst bald Kinder“, sagte Susi mit Entschlossenheit, ehe ich antworten konnte. „Aber Alex will nicht.“
Jetzt mischte sich mein Vater ins Gespräch ein: „Was soll das heißen, mein Sohn?“
„Das soll heißen, dass ich noch keine Kinder will.“
„Und warum nicht, wenn ich fragen darf?“
„Ich werde doch entscheiden dürfen, wann ich Kinder haben will, oder nicht?“
„Natürlich kannst du das selbst entscheiden. Ich frage mich nur, was dagegen spricht. Du verdienst gut, hast eine nette, hübsche Frau, was willst du eigentlich mehr?“
„Ich will nicht mehr, ich will einfach noch keine Kinder. Ist das so schwer zu verstehen?“
„Also ich verstehe es jedenfalls nicht“, entgegnete mein Vater, und die Ader an seiner rechten Schläfe schwoll kaum merklich an. „Ich glaube, du hast einfach Angst, Verantwortung zu übernehmen, mein Junge. Aber das ist typisch für die heutige Zeit. Alle leben so, wie es ihnen gefällt, ohne Rücksicht auf die anderen. Hauptsache, das eigene Ego wird befriedigt.“ Mein Vater war jetzt richtig wütend.
Ich wollte mich mit ihm nicht streiten, deshalb lenkte ich ein: „Ich habe doch gar nicht gesagt, dass ich überhaupt keine Kinder will.“
„Na, dann ist ja gut“, grummelte mein Vater, und die Angelegenheit war für ihn erst einmal erledigt. Ich schlürfte meinen Kaffee, was meine Mutter mit einem strafenden Blick quittierte.
Dann unterhielt sie uns mit Neuigkeiten aus der Nachbarschaft. Frau Dr. Hauschild hätte zu ihrem letzten Geburtstag einen echten Zobel bekommen. Alle Frauen würden sich darüber aufregen, seien aber – so zumindest die Auffassung meiner Mutter – insgeheim neidisch auf sie. Außerdem kursierte das Gerücht, dass der Sohn von Rechtsanwalt Sauerbein durch das erste juristische Staatsexamen gefallen sei. Jedenfalls würde Frau Sauerbein immer betreten schweigen, wenn sie jemand nach ihrem Sohn fragen würde, und ob dieser denn nun endlich mit dem Examen fertig sei. „Wir gönnen das den Sauerbeins“, sagte meine Mutter, während sie eine Strähne ihres Haares aus der Stirn strich. „So wie die immer mit ihrem Supersohn angegeben haben. Das haben die nun davon.“ Meine Mutter richtete sich in ihrem Sessel auf, griff zur Schale mit dem Salzgebäck und schob sich energisch eine Mandel in den Mund.
„Was meinst du dazu, Max?“
Mein Vater winkte ab: „Das ist doch alles Hausfrauengewäsch“, meinte er und zog bedeutungsvoll seine linke Augenbraue hoch. „Warum könnt ihr Frauen nicht einmal etwas Sinnvolles unternehmen. Immer nur Kaffeetrinken, Bridge spielen und dummes Zeug reden.“
Meine Mutter gab darauf keine Antwort, sondern fragte, ob wir Kaffee haben wollten. Da wir alle verneinten, bot sie uns ein „Likörchen“ an.
Sie holte eine schwere Kristallkaraffe aus der Vitrine und schenkte das süßliche Zeug in handgeschliffene Gläser. „Oh, ich habe etwas vergessen!“ sagte sie, und ihre Stimme hatte einen leicht schrillen Klang. Sie hüpfte in die Küche und kam mit vier Untersetzern zurück.
Meine Mutter unterhielt sich angeregt mit Susi über die neue Sommermode und mein Vater ging hinaus, um im Garten ein wenig Luft zu schnappen. Während ich an dem Glas mit Kirschlikör nippte, blickte ich mich ein wenig im Zimmer um. Immer wieder erstaunte mich die makellose Sauberkeit in den Räumen meiner Eltern. Manchmal hatte ich das Gefühl, als ob meine Mutter sogar
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