Maerchen Fuer Kinder
Thor standen hohe Palmbäume. Die See bildete hier eine kleine Bucht, da war es ganz still, aber sehr tief; hierher bis zur Klippe, wo der weiße, feine Sand aufgespült war, schwamm sie mit dem schönen Prinzen, legte ihn in den Sand, und sorgte besonders dafür, daß der Kopf hoch im warmen Sonnenschein lag.
Nun läuteten die Glocken in dem großen, weißen Gebäude, und es kamen viele junge Mädchen durch den Garten. Da schwamm die kleine Seejungfrau weiter hinaus, hinter einige hohe Steine, die aus dem Wasser emporragten, legte Seeschaum auf ihr Haar und ihre Brust, sodaß niemand ihr kleines Antlitz sehen konnte, und dann paßte sie auf, wer zu dem armen Prinzen kommen würde.
Es währte nicht lange, bis ein junges Mädchen dorthin kam; sie schien sehr zu erschrecken, aber nur einen Augenblick, dann holte sie mehrere Menschen, und die Seejungfrau sah, daß der Prinz zum Leben zurückkehrte, und daß er alle ringsherum anlächelte, aber zu ihr hinaus lächelte er nicht, er wußte ja auch nicht, daß sie ihn gerettet hatte. Sie fühlte sich sehr betrübt, und als er in das große Gebäude hineingeführt wurde, tauchte sie traurig unter das Wasser und kehrte zum Schlosse ihres Vaters zurück.
Immer war sie still und nachdenkend gewesen, aber nun wurde sie es weit mehr. Die Schwestern fragten sie, was sie das erste Mal dort oben gesehen habe, aber sie erzählte nichts.
Manchen Abend und Morgen stieg sie da hinauf, wo sie den Prinzen verlassen hatte. Sie sah, wie die Früchte des Gartens reiften und abgepflückt wurden, sie sah, wie der Schnee auf den hohen Bergen schmolz, aber den Prinzen erblickte sie nicht, und deshalb kehrte sie immer betrübter heim. Da war es ihr einziger Trost, in ihrem kleinen Garten zu sitzen und ihre Arme um das schöne Marmorbild zu schlingen, das dem Prinzen glich, aber ihre Blumen pflegte sie nicht, die wuchsen, wie in einer Wildnis, über die Gänge hinaus und flochten ihre langen Stiele und Blätter in die Zweige der Bäume hinein, sodaß es dort ganz dunkel war.
Zuletzt konnte sie es nicht länger aushalten, sondern sagte es einer ihrer Schwestern, und da bekamen es gleich alle andern zu wissen, aber auch niemand sonst als diese und ein paar andere Seejungfrauen, die es nicht weiter sagten, außer ihren nächsten Freundinnen. Eine von ihnen wußte, wer der Prinz war, sie hatte auch das Fest auf dem Schiffe gesehen, und gab an, woher er war und wo sein Königsschloß lag.
Dieses war aus einer hellgelben, glänzenden Steinart aufgeführt, mit großen Marmortreppen, deren eine gerade in das Meer hinunter reichte. Prächtige vergoldete Kuppeln erhoben sich über dem Dache, und zwischen den Säulen, die um das Gebäude herumliefen, standen Marmorbilder, die sahen aus, als lebten sie. Durch das klare Glas in den hohen Fenstern blickte man in die prächtigsten Säle hinein, wo köstliche, seidene Vorhänge und Teppiche aufgehängt und alle Wände mit großen Gemälden geziert waren, sodaß es ein wahres Vergnügen war, sie zu betrachten. Mitten in dem größten Saal plätscherte ein großer Springbrunnen, seine Strahlen reichten hoch hinauf gegen die Glaskuppel in der Decke, durch welche die Sonne auf das Wasser und die schönen Pflanzen schien, die in dem großen Becken wuchsen.
Nun wußte sie, wo er wohnte, und dort war sie manchen Abend und manche Nacht auf dem Wasser; sie schwamm dem Lande weit näher, als eine der andern es gewagt hatte, ja sie ging den schmalen Kanal ganz hinauf, unter den prächtigen Marmoraltan, welcher einen langen Schatten über das Wasser hinwarf. Hier saß sie und betrachtete den jungen Prinzen, der glaubte, er sei ganz allein in dem klaren Mondschein.
Sie sah ihn manchen Abend mit Musik in seinem prächtigen Boote, wo die Flaggen wehten, segeln; sie lauschte durch das grüne Schilf hervor, und ergriff der Wind ihren langen, silberweißen Schleier, und jemand sah ihn, so glaubte er, es sei ein Schwan, der die Flügel ausbreite.
Sie hörte in mancher Nacht, wenn die Fischer mit Fackeln auf der See waren, daß sie viel Gutes von dem jungen Prinzen erzählten, und es freute sie, daß sie sein Leben gerettet hatte, als er halb tot auf den Wogen herumtrieb, und sie dachte daran, wie fest sein Haupt an ihrem Busen geruht, und wie herzlich sie ihn da geküßt hatte; er wußte gar nichts davon, konnte nicht einmal von ihr träumen.
Mehr und mehr fing sie an die Menschen zu lieben, mehr und mehr wünschte sie, unter ihnen umherwandeln zu können, deren Welt ihr
Weitere Kostenlose Bücher