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Maerchen Fuer Kinder

Titel: Maerchen Fuer Kinder Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hans Christian Andersen
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weit größer zu sein schien, als die ihrige; sie konnten ja auf Schiffen über das Meer fliegen, auf den hohen Bergen hoch über die Wolken emporsteigen, und die Länder, die sie besaßen, erstreckten sich mit Wäldern und Feldern weiter, als ihre Blicke reichten. Da war so vieles, was sie zu wissen wünschte, aber die Schwestern wußten ihr nicht alles zu beantworten, deshalb fragte sie die alte Großmutter, und diese kannte die höhere Welt recht gut, die sie sehr richtig die Länder über dem Meer nannte.
    »Wenn die Menschen nicht ertrinken,« fragte die kleine Seejungfrau, »können sie dann ewig leben, sterben sie nicht, wie wir unten im Meer?«
    »Ja,« sagte die Alte, »sie müssen auch sterben, und ihre Lebenszeit ist sogar noch kürzer, als die unsere. Wir können dreihundert Jahre alt werden, aber wenn wir dann aufhören zu sein, so werden wir in Schaum auf dem Wasser verwandelt, haben nicht einmal ein Grab hier unten unter unsern Lieben. Wir haben keine unsterbliche Seele, wir erhalten nie wieder Leben, wir sind gleich dem grünen Schilf, ist das einmal durchschnitten, so kann es nicht wieder grünen. Die Menschen dahingegen haben eine Seele, die ewig lebt, lebt, nachdem der Körper zu Erde geworden ist; sie steigt durch die klare Luft empor hinauf zu allen den glänzenden Sternen! So wie wir aus dem Wasser auftauchen und die Länder der Menschen erblicken, so steigen sie zu unbekannten, herrlichen Orten auf, die wir nie zu sehen bekommen.«
    »Warum bekamen wir keine unsterbliche Seele?« fragte die kleine Seejungfrau betrübt. »Ich möchte alle meine Hunderte von Jahren, die ich zu leben habe, dafür geben, um nur einen Tag ein Mensch zu sein und dann Anteil an der himmlischen Welt zu haben.«
    »Daran mußt Du nicht denken!« sagte die Alte. »Wir fühlen uns weit glücklicher und besser, als die Menschen dort oben!«
    »Ich werde also sterben und als Schaum auf dem Meer treiben, nicht die Musik der Wogen hören, die schönen Blumen und die rote Sonne sehen? Kann ich denn gar nichts thun, um eine unsterbliche Seele zu gewinnen?«
    »Nein,« sagte die Alte, »nur wenn ein Mensch Dich so lieben würde, daß Du ihm mehr als Vater und Mutter wärest; wenn er mit all' seinem Denken und all' seiner Liebe an Dir hinge, und dem Prediger seine rechte Hand in die Deinige, mit dem Versprechen der Treue hier und in alle Ewigkeit, legen ließe, dann flösse seine Seele in Deinen Körper über, und auch Du erhieltest Anteil an der Glückseligkeit der Menschen. Er gäbe Dir Seele und behielt doch seine eigene. Aber das kann nie geschehen! Was hier im Meer gerade schön ist, Dein Fischschwanz, finden sie dort auf der Erde häßlich, sie verstehen es nun nicht besser, man muß dort zwei plumpe Stützen haben, die sie Beine nennen, um schön zu sein!«
    Da seufzte die kleine Seejungfrau und sah betrübt auf ihren Fischschwanz.
    »Laß uns froh sein!« sagte die Alte. »Hüpfen und springen wollen wir in den dreihundert Jahren, die wir zu leben haben. Das ist wahrlich lange Zeit genug, später kann man um so besser ausruhen. Heute Abend werden wir Hofball haben!«
    Das war auch eine Pracht, wie man sie nie auf Erden erblickt. Die Wände und die Decke des großen Tanzsaales waren von dickem, aber klarem Glase. Mehrere hundert ungeheure Muschelschalen, rosenrote und grasgrüne, standen zu jeder Seite in Reihen mit einem blau brennenden Feuer, welches den ganzen Saal beleuchtete und durch die Wände hinausschien, sodaß die See draußen ganz beleuchtet war; man konnte alle die unzähligen Fische sehen, große und kleine, die gegen die Glasmauern hinschwammen; auf einigen glänzten die Schuppen purpurrot, auf andern erschienen sie wie Silber und Gold. – Mitten durch den Saal floß ein breiter Strom, und auf diesem tanzten die Meermänner und Meerweibchen zu ihrem eigenen lieblichen Gesang. So schöne Stimmen haben die Menschen auf der Erde nicht. Die kleine Seejungfrau sang am schönsten von ihnen allen, sie wurde deshalb beklatscht, und einen Augenblick fühlte sie eine Freude in ihrem Herzen, denn sie wußte, daß sie die schönste Stimme von allen auf der Erde und im Meere hatte. Aber bald gedachte sie wieder der Welt oben über sich; sie konnte den hübschen Prinzen und ihren Kummer, daß sie keine unsterbliche Seele wie er besaß, nicht vergessen. Deshalb schlich sie sich aus ihres Vaters Schloß hinaus, und während alles drinnen Gesang und Frohsinn war, saß sie betrübt in ihrem kleinen Garten. Da hörte sie das

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