Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Mafiatochter

Mafiatochter

Titel: Mafiatochter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karen Gravano
Vom Netzwerk:
Sonntagsausflug zum Ententeich. Mein Vater und meine Mutter gingen mit meinen älteren Kusinen und uns zum Entenfüttern. Wir hatten jeder zwei Scheiben altes Brot dabei, das wir nach eigenem Gutdünken zerbrechen und in den Teich werfen durften. Meine Kusine Mary hielt ihre Rinde zu lange fest, sodass eine Ente sie in den Finger biss. Mein Vater jagte sie den Weg entlang und schnappte sie, bevor sie ins Wasser entwischen konnte. Was dann geschah, traumatisierte uns: Die Ente quakte, die Kinder schrieen, und die Federn flogen, als mein Vater dem Vogel den Hals brach. Mein Vater schützte instinktiv die Menschen, die er liebte. Er hielt es für seine Pflicht, uns zu beschützen, selbst wenn er dabei die Grenzen des Notwendigen bisweilen überschritt.
    Meine Mutter war sehr fürsorglich. Wenn ich ihr eine Frage stellte, hatte sie eine gewisse Art, mir zu antworten, ohne zu antworten. Nie gab sie eine befriedigende Antwort, sodass ich mir alles, was sie mir nicht sagte, selbst zusammenreimen musste. Wahrscheinlich hatte ich meistens Unrecht, aber ich konnte nicht anders, als sie weiterhin mit Fragen zu belästigen.
    Sie war sehr bodenständig und einfach. Statt ein Restaurant zu besuchen, kochte sie lieber selbst zu Hause. Sie wusste, wie man mit sehr geringen Mitteln ein gutes Abendessen zauberte, und konnte improvisieren. Selbst, als wir pleite waren, hatte es stets den Anschein, als hätten wir reichlich zu essen. Sie konnte aus Makkaroni und Ricotta fünf verschiedene Gerichte zubereiten, indem sie beispielsweise Erbsen oder etwas geschnittenes Hühnchenfleisch hinzufügte. Ihr ofenfrisches Knoblauchbrot schmeckte mir am besten.
    In unserem Haus gab es feste Regeln fürs Abendessen. Der Tisch wurde in einer Essecke gedeckt, und Papa saß immer am Kopfende. Ich saß zu seiner Rechten, Gerard auf der Bank gegenüber von mir und Mama am anderen Ende. Jeden Abend ließ uns Papa erzählen, was wir in den letzten vierundzwanzig Stunden Neues entdeckt hatten. Wenn wir fertig waren, sagte er: »Seht ihr? Man kann jeden Tag etwas Neues lernen.« Er war stolz, dass es immer etwas zu lernen gab.
    Meine Mutter war keine Frau vieler Worte. Wenn etwas nicht in Ordnung war, insbesondere mit meinem Vater, achtete sie stets darauf, dass mein Bruder und ich nichts davon mitbekamen. Sie behütete uns mit demselben Beschützerinstinkt wie er, nur dass sich dieser bei ihr in einer etwas milderen Form äußerte. Sie war die Sorte Mutter, die unsere Schulnoten fälschte, damit wir keinen Ärger mit unserem Vater bekamen.
    Sie war so still, dass ich annahm, sie sei schwach und unterwürfig – nicht im negativen Sinne, sondern vielmehr im Sinne häuslichen Pflichtgefühls. Keine Fragen zu stellen, war kein Zeichen von Schwäche; vielmehr hatte sie respektiert, dass Familienmitglieder nichts gewannen, wenn sie sie die ganze Zeit nachbohrten. Erst als ich viel älter war, erkannte ich, welche Kraft in ihrem Schweigen lag.
    Mein Vater war der große Spaßmacher der Familie. Er neckte immer meine Mutter, was sie außerordentlich gern mochte. Man sah, dass sie ihn über alles auf der Welt liebte. Es schien sie nicht zu stören, dass er die ganze Nacht fort blieb. Wenn Papa spät nach Hause kam, schlief ich solange immer auf seiner Seite des Bettes. Dann trug er mich hinüber in mein eigenes Zimmer, egal, wie spät es war. Mama und er schienen nie darüber zu streiten, wo er so lange blieb, und sie schien für seine unkonventionellen Arbeitszeiten immer Verständnis zu haben. Ich würde nicht sagen, dass sie übertrieben zärtlich miteinander waren. Aber wenn Papa nach Hause kam und auf der Couch lag, legte er den Kopf in den Schoß meiner Mutter, und sie streichelte sein Haar.
    Oft wollte ich meine Mutter fragen, womit Papa tatsächlich unseren Lebensunterhalt bestritt, aber ich wusste, dass sie solche Fragen nicht beantworten würde. Sie war der Vogel Strauß der Familie. Wenn Dinge angesprochen wurden, mit denen sie sich nicht befassen wollte, steckte sie einfach den Kopf in den Sand. Dann putzte sie wie besessen das ganze Haus von oben bis unten und fing anschließend noch einmal von vorn an. Wenn wir auf einem Teppich Fußspuren hinterließen, folgte sie uns mit dem Staubsauger in der Hand und vernichtete sämtliche Beweise, dass wir dort gewesen waren.
    Manchmal waren sonntagmorgens ein paar Typen bei meinem Papa zu Besuch. Sie brachten Bagels mit und unterhielten sich. Ohne, dass sie dies als störend empfand, saugte Mama um sie herum und

Weitere Kostenlose Bücher