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Jones, Diana Wynne

Jones, Diana Wynne

Titel: Jones, Diana Wynne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: 01 Die Spielleute von Dalemark
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1.
    »Hör auf zu träumen, Moril«, bat Lenina.
    »Zieh endlich dein Kostüm an«, rief Brid. »Gleich sind wir in Derent!«
    Moril seufzte vorwurfsvoll. Er hatte nicht geträumt. Wie ungerecht, dass seine Mutter es für Träumerei hielt, wenn er doch nur sehnsüchtig die weiße Straße entlangblickte, die sich nach Norden zog. Dabei war er so froh, dass es wieder nach Norden ging; was freute er sich, die Südlande hinter sich zu lassen! Obwohl der Frühling gerade erst anbrach, war die Hitze schon fast unerträglich. Aber nicht wegen der Wärme wollte Moril fort aus dem Süden, sondern weil man dort immer auf der Hut sein musste. Keinen falschen Schritt durfte man tun, kein unpassendes Wort durfte man aussprechen, denn überall waren Spitzel, die einen Fremden liebend gern ins Gefängnis gebracht hätten. Im Süden gaben die Leute stets genau Acht, was man sagte, als warteten sie nur darauf, etwas melden zu können. Wenn Moril daran dachte, überlief es ihn kalt. Noch mehr aber ärgerte ihn, dass sein Vater im Süden manche Lieder nicht zu singen wagte, weil er befürchtete, jemand könnte sie für aufrührerisch halten. Gerade diese Lieder waren nach Monis Ansicht die besten von allen. Aus dem Norden stammten sie, wie Moril; er war im nordländischen Hannart geboren worden, und sein Lieblingsheld, der Adon, war vor langer Zeit einmal der Graf von Hannart gewesen.
    »Du träumst ja noch immer!«, schalt Lenina ihn.
    »Nein, das ist nicht wahr«, widersprach Moril. Er verließ seinen Lieblingsplatz hinter dem Kutschbock und kletterte eilig in den hinteren Teil des Wagens, über den eine Plane gespannt war.
    Seine Mutter und seine Schwester hatten sich schon für die Vorstellung umgezogen. Lenina, eine hellhäutige und noch immer sehr schöne Frau mit blondem Haar, trug ein silbernes Kostüm, das mit blassem Goldflitter besetzt war. Brid, Morils Schwester, hatte einen dunkleren Teint und braune Haare. Ihr Kleid schimmerte pflaumenblau. Lenina hängte Morils Kostüm über das Gestell für die Musikinstrumente, und Moril quetschte sich daran vorbei, um sich umzuziehen. Er war sehr vorsichtig, denn er wollte keine der Quiddern anstoßen oder über die Handorgel kratzen. Alle Musikinstrumente zeigten den matten Glanz, der sich erst nach langer Benutzung einstellt, alle waren sie tadellos gepflegt und liebevoll poliert. Die Instrumente hatten ausnahmslos ihren festen Platz im Gestell; alles im Wagen hatte seinen festen Platz. Darauf bestand Clennen, denn nur so, so sagte er, sei das Leben in einem kleinen Wagen möglich.
    Nachdem Moril sich umgezogen hatte, sprang er als sehr farbenprächtige Erscheinung vom Wagen, denn er trug wie Brid ein pfauenblaues Kostüm, dazu leuchtete sein rotes Haar – ein wildes, helles Rot. Im Gesicht war er blass wie Lenina, abgesehen von einigen wenigen rötlichen Sommersprossen.
    »Weißt du, Mutter, ich glaube, an Moril gefällt mir diese Farbe nicht«, sagte Brid wie vor jeder Vorstellung seit ihrem Aufbruch aus Holand.
    »Dadurch fällt er den Leuten auf«, entgegnete Lenina und nahm die Zügel, während Clennen und Dagner nach hinten gingen und sich umzogen.
    Moril lief im frischen feuchten Gras am Straßenrand hinter dem Wagen her. Unter seinen Füßen fühlte sich das Gras weich und rau zugleich an. Versonnen musterte er den Wagen, sein Zuhause. Er war in einer Reihe auffälliger Farben gestrichen, unter denen Rosarot und Gold vorherrschten. In goldener, himmelblau abgesetzter Schrift stand ›Clennen der Barde‹ auf die Seitenwände geschrieben. Moni wusste, wie grell der Wagen wirkte, aber er liebte ihn trotzdem. Das Gefährt bewegte sich leise, denn es war gut gefedert und geölt und lief fast wie von selbst hinter Olob her, dem Zugpferd mit dem glänzenden braunen Fell. Clennen sagte immer wieder, selbst gegen eine Grafschaft würde er Olob nicht eintauschen. Olob – sein richtiger Name lautete Barangarolob, denn Clennen liebte lange Namen – trug ein Geschirr in Scharlachrot und Rosa mit viel poliertem Messing daran. Er wirkte genauso prächtig wie der Rest des Gespanns. Moril dachte gerade, dass seine Mutter und Brid auf der Kutschbank aussahen wie zwei Königinnen – oder vielleicht wie eine Königin und eine Prinzessin –, als Clennen den Kopf aus dem Leinwandvorhang steckte.
    »Bewunderst uns wohl, was?«, rief er fröhlich. Moril nickte lächelnd. »Der Wagen ist wie das Leben«, sagte Clennen. »Du kannst dich zwar fragen, was im Inneren vor sich geht, aber eigentlich

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