Mafiatochter
miteinander. Anfangs hatte es meinen Vater traurig gestimmt, dass seine Eltern aufgrund von Eddies misslicher Lage zum Umzug gezwungen gewesen waren. Am Ende aber funktionierte alles ganz prächtig. Meine Großeltern schienen recht zufrieden zu sein. Nicht zuletzt war mein Vater das Baby meiner Großmutter, sodass die neue Nähe zu ihm ein Bonus für sie war. Als mein Großvater acht Monate später starb, war mein Vater sehr erleichtert, dass meine Großmutter nun so nahe bei uns wohnte und nicht allein in Ronkonkoma zurückgeblieben war.
Mein Bruder Gerard aß für sein Leben gern, also war es perfekt für ihn, dass er Verwandte in der Nachbarschaft hatte, die ihm gerne etwas auftischten. Er ging zum Essen erst zu seiner Oma, dann zu Tante Fran, dann kam er nach Hause und aß dort noch einmal. Allen erzählte er, er habe noch nichts gegessen, sodass er insgesamt drei Mahlzeiten bekam. Manchmal stahl er von einer hinter dem Neubaugebiet gelegenen großen Farm einen großen Kürbis oder eine Tomate, die meine Großmutter in die Soße geben konnte. Einmal setzte der Bauer Gerard bis nach Hause nach und rief ihm hinterher, er solle das gestohlene Gemüse wieder hergeben. Auch Großmutter war draußen und herrschte den Bauern an: »Lassen Sie die Finger von meinem Enkel!« »Er hat mein Gemüse gestohlen!«, schrie der Kerl zurück. Meine Großmutter blieb jedoch hartnäckig, und sowohl der Kürbis als auch die Tomate landeten in ihrer Soße. Sie war köstlich!
Wir alle mochten Oma Kay. Dass sie auf der anderen Straßenseite lebte, machte es einfacher, sie zu besuchen. Sie machte die beste Soße der ganzen Welt. Ich war dreizehn, als sie starb. Seit dem Tod meines Großvaters war sie nicht mehr ganz dieselbe gewesen. Sie war sehr traurig und wurde krank. Sie war es auch gewesen, die meinen Spitznamen »K.G.« erfunden hatte. Zu meinem dreizehnten Geburtstag hatte sie mir eine Halskette mit meinen diamantbesetzten Initialen geschenkt. Alle bekamen diese diamantenen Initialen zu ihrem sechzehnten Geburtstag, aber ich bekam meine schon mit dreizehn. Sie kaufte auch mein gesamtes Porzellan und mein Silberbesteck mit eingravierten Initialen, das ich einmal zur Hochzeit erhalten sollte. Sie muss gespürt haben, dass sie keine drei Jahre mehr zu leben hatte. Am Abend vor ihrem Tod gingen wir alle ins Krankenhaus und verabschiedeten uns. Am nächsten Morgen war sie einer Herzattacke erlegen. Papa war traurig, ließ sich aber nicht hängen.
Toniann war meine beste Freundin am Leggett Place. Sie lebte zwei Häuser weiter und war zwei Jahre älter als ich, was jedoch keinen von uns beiden störte. Wir waren etwa in derselben Altersgruppe und besuchten dieselbe öffentliche Schule. Ihre Eltern arbeiteten beide. Ihr Vater war ein gewöhnlicher Arbeitnehmer, der von neun bis fünf weg war, und ihre Mutter Friseurin. Wir übernachteten regelmäßig zusammen. Im Verlauf unserer Teenagerjahre verloren wir jedoch den Kontakt.
Ich wurde zu einem »schlechten« Mädchen, stahl mich aus dem Haus und ging in Nachtclubs, als ich vierzehn war. Sie machte solche Sachen nicht, also traf sie sich mit den guten Mädchen, während ich mich mit jenen umgab, die gern Schwierigkeiten machten.
Ich erinnere mich daran, wie mich Toniann einmal so aufbrachte, dass ich fast weinte. Alle Italiener nahmen es sehr wichtig mit ihrem Essen, und auch wir Gravanos bildeten da keine Ausnahme. Toniann bat mich, das Wort »Ricotta« zu sagen. Ich dachte mir nichts dabei, also sagte ich das Wort genauso, wie sie es gesagt hatte: »Ricotta«. Sie erwiderte dies mit verletzendem Spott: »Da sieh mal an, du bist ja gar keine Italienerin! Die Italiener sagen Ri-koh-da .« Ich war verwirrt. Ich wusste zwar, dass ich italienischer Abstammung war, begriff aber überhaupt nicht, warum sie mich provozierte. Also verteidigte ich mich. »Du sagtest, ich solle › Ricotta ‹ sagen, da habe ich eben ›Ricotta‹ gesagt. Hättest du gefragt, wie man Ricotta ausspricht, hätte ich Ri-koh-da gesagt.« Ich wusste vielleicht nicht, dass mein Vater in der Mafia war, aber ich wusste, dass ich ebenso italienisch war wie Christoph Kolumbus, auch wenn ich nicht vor fünfhundert Jahren mit der Santa Maria hierher gekommen war.
Sonntags traf sich die gesamte Familie zum gemeinsamen Kirchgang und zum Essen im Haus meiner Großeltern mütterlicherseits an der Ecke 15th Avenue und 86. Straße. Papa ging nicht in die Kirche, doch wir anderen gingen zu Fuß zur St. Frances Cabrini an der
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