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Magna Mater - Roman

Magna Mater - Roman

Titel: Magna Mater - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: C. Bertelsmann
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Spurensuche, trotzdem gerate ich immer wieder in die Historie, die vom Orden verwahrt wird wie ein verbotenes Buch. Aber gehören nicht auch unsere Gedanken und vergleichenden Betrachtungen, ja sogar Träume, zu unseren Lebenserinnerungen?
    Doch wo endet das Träumen? Wo beginnt die Wirklichkeit? Bisweilen glaube ich, das Erlebte nur geträumt zu haben. Zu unwirklich erscheint mir im Rückblick die verborgene Welt der Skarabäen.
    Ich kehre zu den Ereignissen und den Menschen zurück, denen ich auf meinem Lebensweg begegnet bin. Dabei komme ich mir vor wie die alten Tiere, die ihren Bau nicht mehr verlassen, weil sie zu schnell ermüden. Meine Vergnügungen sind die des Verzichts. Ich lebe in Erinnerungen, wie junge Menschen voller Hoffnung leben.
    Ich lausche meinem Herzen und kann mir nicht vorstellen, dass es aufhören könnte zu pochen. Es schlägt, seitdem ich bin. Aber es wird verstummen. Andere werden nach mir leben, und sie werden so wenig von mir wissen wie ich von denen, die lange vor mir die Erde bevölkerten. Aber wie kann es anders sein, wo nicht einmal ich weiß, wer ich wirklich bin. Erkenne dich selbst, heißt es. Richtiger wäre: Sei du selbst! Ich habe mich mein Leben lang darum bemüht.
    Ich lege meine Hand in die Spur meiner Füße
    Ich schreibe mein Herz in den Staub der Straße.
    Durch das Fenster meines Zimmers leuchtet der Polarstern. Seltsam, trotz der Dunkelheit merkt man gerade in der Nacht, wie rasch die Zeit dahinfließt. Ich bin alt geworden. Mein Leben liegt hinter mir.
    Stark wie der Tod ist der Mond, ist das Dunkel.
    Stärker als der Tod sind die Segel der Zeit.

3. KAPITEL
    I ch finde den Menschenzoo abscheulich. Trotzdem besuche ich ihn hin und wieder. Faszination geht von der Begegnung mit unseren primitiven Urahnen aus. Ein Abgrund, tausend Nächte tief!
    Umringt von Schulkindern, die mich ehrfürchtig begrüßten, fuhr ich frühmorgens mit dem Schiff zur Insel der Wilden. »Gott war gestern«, »Gott war gestern« schallte es mir wie im Chor entgegen.
    Als wir das Reservat erreichten, flimmerte die Luft in der Mittagshitze. Kein Windhauch rührte sich. Wir bestiegen die Besucherplattform, von der man die darunter liegende Lichtung gut überblicken kann, ohne selbst gesehen zu werden. Unter uns lag eine Wildnis von umgestürzten Baumstämmen. Ihre Wurzeln griffen ins Leere, bleich und verdorrt von der Sonne. In den Erdtrichtern wucherten Brombeeren, Disteln und Farnkraut. Wie ausgestorben war der Wald. Nicht einmal ein Vogellaut war vernehmbar. Nur das Summen der Bienen erfüllte die Luft.
    Bewegte sich da nicht etwas? Plötzlich huschte ein Schatten durch die Fichtenschonung und verschwand im Unterholz. Und da, noch einer! Das Knacken von trockenen Ästen. Ich legte den Zeigefinger über die Lippen. Das Kindergeflüster verstummte. Wir wagten kaum zu atmen. Und da standen sie plötzlich am Rande der Lichtung: eine ganze Rotte von Urmenschen, ein Riese mit einer Löwenmähne vom Scheitel bis zum Bauchnabel. Daneben sein Weib, das ihm nur bis zu den Schultern reichte, mit noch längerem Haar und fleischigen Brüsten, prall wie Ziegeneuter. Die Frau trug einen Säugling im Arm. Eine Schar Kinder tollte mit einem struppigen Hund um sie herum. Wir zählten vier. Alle waren nackt.
    »Solche Rotten nannte man Familie«, erklärte der Lehrer den Kindern. »Ähnliche Gruppierungen beobachtet man noch heute bei Tieren, die Brutpflege betreiben.«
    Die Familie näherte sich dem Besucherturm, wo die Verwaltung Futter ausgelegt hatte. Sie schienen hungrig zu sein. Ihr Schmatzen war noch oben auf der Plattform zu hören.
    »Ist es wahr, dass sie Tiere fressen?«, fragte ein Schüler.
    »Das Fleisch von Tieren«, verbesserte ihn der Lehrer, ein lebhafter Mensch mit leuchtend blauen Augen und sonnengebräunter Haut. Obwohl mindestens dreißig Jahre alt, erschien er mir nicht älter als seine Schüler. Wie unbeschreiblich jung sie alle waren, diese Blühenden. Neben ihnen war ich eine vertrocknete Frucht, ein Fossil mit der Haut eines alten Elefanten, mehr mit diesen Urmenschen hier verwandt als mit meinen Mitmenschen. Hundegebell unterbrach meine Gedanken.
    »Werden sie jetzt den kleinen Hund auffressen?«
    »Nein, sie essen keine Hunde.«
    »Was essen sie denn?«
    »Schweine und Hühner, Kälber, Lämmer, Rehe.«
    »Rehe?«, riefen mehrere Kinder wie aus einem Mund.
    »Sie essen Rehe, so wie das die Wölfe tun?«
    »Ja.«
    »Könntest du in ein Reh beißen?«
    »Sie beißen nicht in lebendige

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