Die kalte Spur
1
Charles Morton saß an seinem Schreibtisch im Pressezimmer des Polizeipräsidiums und telefonierte mit der Redaktion der Zeitung The Blade. Gleichzeitig wühlte er in einem Stapel Karteikarten, auf denen »19. März« und bestimmte Vermerke über die Delikte des Tages standen. »Ich hab hier eine komische Sache für euch: wegen Verdachts auf Trunkenheit am Steuer wurde der achtundvierzigjährige John Smith, wohnhaft in der Maple Avenue 732, verhaftet. Er fuhr einen Sportwagen mit dem Kennzeichen 6 B 98 13. In seiner Begleitung befand sich eine flotte junge Dame, die sich Mary Briggs nennt, zweiundzwanzig Jahre alt ist und keinen festen Wohnsitz hat. Sie behauptet, sie sei erst wenige Minuten vorher bei Smith zugestiegen. Er hatte einen leichten Zusammenstoß mit einem anderen Wagen, dessen Fahrer der zweiunddreißigjährige George Moffit, wohnhaft Melrose Street 619, war. Der Unfall fand an der Kreuzung Webster Street Broadway statt. Als Verkehrsposten hatte dort der Polizeibeamte Carl Wheaton Dienst. Er bemerkte, daß Smith nach Alkohol roch und schnell auf und davon wollte. Er hatte eine dick gefüllte Brieftasche und versuchte, den Beamten zu bestechen. Der Polizist schöpfte Verdacht. Denn es lag ein Fahndungsbefehl nach einem Pärchen vor, das an Tankstellen Raubüberfälle begeht. Übrigens habe ich euch die Sache ja schon vor zwei Stunden durchgegeben. Das Pärchen fuhr, wie gesagt, an einer Tankstelle vor, und dann beging das Mädchen den Raubüberfall. Da die beiden ebenfalls einen Sportwagen fuhren, begann Wheaton Nachforschungen anzustellen...« Ein Beamter erschien in der Tür und winkte Morton zu. Morton nickte und sagte dann in den Telefonhörer: »Einen Moment bitte. Es ist irgendwas los. Ich gebe euch gleich weiteres Material durch... Ja, ich weiß, daß in spätestens zwanzig Minuten Redaktionsschluß ist, aber dies kann ja ein fetter Brocken sein... Ich rufe gleich wieder an.«
Morton hängte auf und war mit ein paar Sätzen draußen auf dem Korridor, wo ihm der Beamte ein Protokoll überreichte. »Das ist gerade eingegangen«, sagte er.
Morton überflog den Text und pfiff durch die Zähne. Er stellte ein paar Fragen, machte sich Notizen und eilte dann zurück ans Telefon »Ich habe hier einen Mordfall«, sagte er. »Privatdetektiv von einem Gangster erschossen... gut, ich bleibe am Apparat.«
Als sich die Sekretärin in der Redaktion wieder meldete, begann Morton langsam zu diktieren:
»Edward Shillingby, fünfunddreißig Jahre alt, wohnhaft im Monadnock Building neunter Stock, Mitteltrakt, unverheiratet, als Privatdetektiv zugelassen, wurde um 22.15 Uhr auf der Western Avenue zwischen Cypress und Hazel von einem Gangster erschossen. Dieser fuhr in einem Cadillac, dessen linker hinterer Kotflügel eingebeult war, langsam den Bordstein entlang. Der achtundvierzigjährige Thomas Decker, wohnhaft in der Washington Street 1542, ging dort auf dem Bürgersteig. Plötzlich streckte der Verbrecher, der allein in dem Wagen saß, einen Revolver aus dem Fenster und sagte: >Jetzt mach ich dich fertig du verdammter Schuft!< Der Passant Decker begann in panischer Angst, davonzulaufen. Daraufhin rief ihm der Verbrecher nach: >Tut mir leid, Onkelchen! Ich habe dich mit jemanden verwechselt.< Der Wagen setzte sich in Bewegung und rollte an Decker vorbei. Dieser sah sich das Auto genau an, konnte aber das Kennzeichen nicht feststellen. Er sah aber die Beule am linken hinteren Kotflügel. Es handelte sich um einen Cadillac-Zweisitzer. Der Fahrer trug einen Mantel und einen schwarzen Schlapphut. Hundert Meter weiter stoppte der Wagen wieder. Dort ging Shillingby auf dem Bürgersteig. Der Mann stieg aus dem Auto, ging auf Shillingby zu und sprach ihn an. Ein paar Sekunden standen sie beisammen. Dann feuerte der Cadillacfahrer aus nächster Nähe vier Schüsse auf Shillingby ab, machte kehrt, sprang in seinen Wagen und verschwand um die nächste Ecke. Decker rannte zu Shillingby und erreichte den am Boden Liegenden als erster. Der Polizeibeamte Sam Greenwood, der gerade auf Streifengang war, hörte die Schüsse und traf am Tatort ein, als Decker einen vorbeifahrenden Wagen anhielt.
Shillingby war tot. Zwei Schüsse hatten das Herz durchbohrt. Die zwei anderen waren ebenfalls nur wenige Millimeter vom Herzen entfernt eingedrungen. Der Tod war sofort eingetreten... Und vergeßt bitte nicht, Sam Greenwood zu erwähnen. Er ist ein guter Polizist. Shillingby wurde auf Grund einiger in seiner Tasche steckender Briefe
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