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Magnus Jonson 01 - Fluch

Titel: Magnus Jonson 01 - Fluch Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Michael Ridpath
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ihrem Lieblingsitaliener im North End zu Fuß nach Hause gegangen, als ein Jeep mit heruntergelassener Scheibe an ihnen vorbeifuhr. Aus einem halbautomatischen Gewehr ging eine Salve von Schüssen auf die beiden nieder. Magnus hatte sich auf Colby gestürzt und sie zu Boden gerissen. Entweder waren die Schützen der Ansicht, ihr Ziel getroffen zu haben, oder es waren zu viele Menschen in der Nähe, um die Sache zu Ende zu bringen, denn der Jeep war, ohne anzuhalten, davongerast.
    Daraufhin hatte Colby Magnus vor die Tür gesetzt. Seither verbrachte er schlaflose Nächte im Gästezimmer seines Bruders in Medford. Der Verwesungsgestank an diesem Tatort ging Magnus so nahe, weil der Geruch des Todes zum ersten Mal persönlich geworden war.
    Magnus selbst hätte tot in diesem Apartment liegen können. Oder Colby.
    Es war der bisher heißeste Tag des Jahres, was den Gestank noch schlimmer machte. Magnus schwitzte in seiner Anzugjacke. Da zupfte ihn jemand am Ellbogen.
    Es war ein Mann von rund fünfzig Jahren, ein Latino, kahlköpfig, klein und übergewichtig, schlecht rasiert. Er trug ein weites blaues Hemd, das ihm über die Jeans hing.
    »Detective?«
    Magnus hielt inne. »Ja?«
    »Ich glaube, ich hab was gesehen. Die Nacht, als das Mädchen erstochen wurde.« Der Mann hatte eine raue, eindringliche Stimme.
    Magnus war versucht, dem Latino zu sagen, er solle sich verziehen. Sie hatten schon einen Zeugen, der den Freund kommen gesehen hatte, und einen anderen, der ihn sechs Stunden später gehen sah, drei weitere, die einen lautstarken Streit mitbekommen hatten, und einen Zeugen, der einen Schrei hörte. Andererseits:Zeugen konnte man nie genug haben. Noch eine Aussage, die Magnus abtippen müsste, wenn er wieder auf dem Revier war.
    Mit einem Seufzer griff er nach seinem Notizblock. Es war noch einige Stunden hin, bis er nach Hause fahren, joggen und duschen konnte. Das hatte er dringend nötig, um den Geruch wieder loszuwerden. Falls er bis dahin nicht zu müde zum Joggen wäre.
    Der Zeuge schaute nervös die Straße hoch und runter. »Nicht hier! Ich will nicht, dass man uns zusammen sieht.«
    Magnus wollte protestieren – der Freund des Opfers war Koch im Boston Medical Center, vor dem brauchte man wohl kaum Angst zu haben –, doch dann zuckte er mit den Achseln und folgte dem Kahlkopf zwischen einem baufälligen, mit grauem Holz verschalten Haus und einem kleinen Mietshaus aus rotem Backstein in eine schmale Seitenstraße. Es war kaum mehr als eine Gasse, an deren Ende sich eine Art Bauhof mit einem hohen Drahtzaun befand. Ein auffällig tätowierter Jugendlicher in einem gelben T-Shirt stand an der Straßenecke. Mit dem Rücken zu Magnus rauchte er eine Zigarette.
    In der Gasse schien der Glatzköpfige schneller zu gehen. Magnus machte größere Schritte. Gerade wollte er dem Mann nach rufen, er solle auf ihn warten, da blieb er plötzlich wie angewurzelt stehen.
    Er hatte geschlafen. Jetzt war er hellwach.
    Im wilden Wald von Tätowierungen auf den Armen des Jugendlichen waren Magnus ein kleiner Punkt über dem einen Ellbogen und fünf Punkte über dem anderen aufgefallen. Eins und Fünf – Fünfzehn –, das war das Zeichen einer Bande namens Cobra-15. Aber die hatte in Roxbury nichts zu suchen. Der tätowierte Jugendliche war weit außerhalb seines Gebiets, mindestens fünf oder sechs Kilometer. Allerdings machte Cobra-15 Geschäfte mit Sotos Leuten, den hiesigen Drogendealern. Die Kerle in dem Jeep im North End arbeiteten ebenfalls für Soto, davon war Magnus überzeugt.
    Am liebsten hätte er die Flucht ergriffen, doch Magnus zwangsich, ruhig weiterzugehen, damit er für den Jugendlichen nicht verdächtig wurde. Denk nach! Schnell!
    Er hörte Schritte hinter sich. Pistole oder Messer? Ein Schuss in der Nähe eines Tatorts wäre riskant – es trieben sich immer noch ein, zwei Kollegen vor Ort herum. Andererseits wusste der Jugendliche, dass Magnus bewaffnet war. Niemand ging mit einem Messer zu einer Schießerei. Also Pistole. Die der Tätowierte wahrscheinlich in diesem Augenblick aus dem Hosenbund zog.
    Magnus tauchte nach links ab, griff nach einer Mülltonne und schmiss sie um. Er warf sich zu Boden, rollte herum, zog selbst die Waffe und richtete sie auf den Jugendlichen. Magnus’ Finger krümmte sich um den Abzug, doch plötzlich zögerte er. In der Einmündung zur Gasse stand eine junge Frau mit Einkaufstüten in den Armen. Mit offenem Mund starrte sie Magnus an. Sie war dick, sehr dick, und befand

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