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Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Maigret - 29 - Maigret und sein Toter

Titel: Maigret - 29 - Maigret und sein Toter Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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und keinen Wert darauf lege, von den Anwälten widerlegt zu werden, wenn die Sache vors Schwurgericht kommt. Ich habe die Verletzung gründlich untersucht, Sie haben es gesehen. Ich habe schon Hunderte von Messerstichen untersuchen müssen. Und ich könnte schwören, dass dieser hier gut vorbereitet war.
    Stellen Sie sich zwei Männer vor, die miteinander streiten. Sie stehen sich gegenüber; plötzlich stößt der eine zu. Er könnte nie eine solche Verletzung bewirken wie die, die ich untersucht habe. Der Stich ist ihm auch nicht in den Rücken gejagt worden.
    Stellen Sie sich hingegen vor, dass jemand sitzt oder sogar steht, aber in irgendetwas vertieft ist. Jemand nähert sich langsam von hinten, umklammert ihn mit einem Arm und stößt ihm mit aller Kraft und Präzision das Messer ins Fleisch.
    Oder, um es noch deutlicher zu machen, stellen Sie sich vor, man hätte das Opfer festgebunden oder so festgehalten, dass es sich nicht bewegen konnte, und hätte es dann buchstäblich ›operiert‹. Verstehen Sie, was ich meine?«
    »Ich verstehe.«
    Maigret wusste genau, dass Nines Mann, der seit vierundzwanzig Stunden auf der Flucht vor seinen Mördern gewesen war, nicht überraschend angegriffen worden sein konnte.
    Aber was für Dr. Paul nur ein gewissermaßen theoretisches Problem war, hatte in Maigrets Augen eine wärmere, menschlichere Dimension.
    Er hatte die Stimme des Mannes gehört! Beinahe hatte er ihn gesehen. Er war ihm Schritt für Schritt, von Bistro zu Bistro, auf seiner kopflosen Flucht durch bestimmte Viertel von Paris – es waren immer die gleichen, im Bereich Châtelet-Bastille – gefolgt.
    Die beiden Männer gingen die Quais entlang. Maigret rauchte seine Pfeife und Dr. Paul eine Zigarette nach der anderen. Nicht einmal während der Autopsien hörte er auf zu rauchen; er behauptete stets, Tabak sei das beste Antiseptikum. Der Morgen graute. Die ersten Schleppkähne fuhren die Seine hinunter. Clochards, noch ganz erstarrt von der nächtlichen Kälte, erklommen mit steifen Gliedern die Treppen zu den Quais, wo sie im Schutz einer Brücke geschlafen hatten.
    »Der Mann ist kurze Zeit nach seiner letzten Mahlzeit, vielleicht sogar unmittelbar danach, getötet worden.«
    »Wissen Sie, was er gegessen hat?«
    »Erbsensuppe, Stockfischpüree à la provençale und einen Apfel. Er hat auch Weißwein getrunken. Ich habe außerdem in seinem Magen Spuren von Schnaps gefunden.«
    Seltsam. Sie kamen gerade an den ›Caves du Beaujolais‹ vorüber, wo der Wirt soeben die Holzläden aufstieß. Man konnte in den dunklen Raum hineinsehen und im Vorbeigehen schalen Weingeruch schnuppern.
    »Gehen Sie nach Hause?«, fragte der Arzt, der sich anschickte, einem Taxi zu winken.
    »Ich gehe zum Erkennungsdienst.«
     
    Das große Haus am Quai des Orfèvres war fast leer, bis auf die Leute vom Reinigungsdienst, die in den Fluren und auf den Treppen beschäftigt waren, die noch die Spuren winterlicher Feuchtigkeit trugen.
    In seinem Büro fand Maigret Lucas vor, der vor wenigen Minuten im Sessel des Kommissars eingeschlafen war.
    »Nichts Neues?«
    »Die Zeitungen haben das Foto bekommen; aber nur wenige werden es in der Morgenausgabe bringen, weil sie es so spät erhalten haben.«
    »Und das Auto?«
    »Ich bin schon beim dritten gelben Citroën, aber es ist immer noch der falsche.«
    »Hast du Janvier angerufen?«
    »Er kommt um acht Uhr her, um mich abzulösen.«
    »Wenn man nach mir fragt, ich bin oben. Sag dem Telefonisten, er soll mir alle Gespräche durchstellen.«
    Er war nicht müde, fühlte sich aber schwer wie Blei, und seine Bewegungen waren langsamer als sonst. Er stieg eine schmale, für die Öffentlichkeit gesperrte Treppe hoch, die ins Dachgeschoss des Gerichtsgebäudes führte. Er öffnete eine Tür mit Milchglasscheiben einen Spaltbreit und sah Moers über seine Apparate gebeugt, ging weiter und betrat die Registraturabteilung.
    Bevor er ein Wort sagen konnte, schüttelte der Experte für Fingerabdrücke den Kopf:
    »Nichts, Herr Kommissar.«
    Mit anderen Worten, Nines Mann hatte nie etwas mit der französischen Justiz zu tun gehabt.
    Maigret verließ den Raum mit den Karteikästen, kehrte zu Moers zurück, zog seinen Mantel aus und legte nach kurzem Zögern die Krawatte ab, die ihm den Hals einschnürte.
    Der Tote war nicht hier, aber er war ebenso gegenwärtig wie in dem Fach Nummer siebzehn des Gerichtsmedizinischen Instituts, in dem ihn der Wärter untergebracht hatte.
    Es wurde wenig gesprochen.

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