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Maigret und Pietr der Lette

Maigret und Pietr der Lette

Titel: Maigret und Pietr der Lette Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Georges Simenon
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hatte er Anna zweimal im Gefängnis Saint-Lazare besucht. Das erste Mal hatte sie ihm das Gesicht zerkratzt. Beim zweiten Mal hatte sie ihm Hinweise gegeben, die es am Tag darauf ermöglichten, Pepito Moretto, den Mörder von Torrence und José Latourie, in einem möblierten Zimmer in Bagnolet zu verhaften.
     
    Tagelang keine Neuigkeiten! Hin und wieder ein kaum beruhigender Anruf vom anderen Ende der Welt, dann, eines schönen Morgens, konnte Maigret sich des Eindrucks nicht länger erwehren, daß er am Ende seiner Kräfte war. Er ließ sich in einen Sessel fallen und sagte zaghaft:
    »Hol mir den Doktor …«
    Sie ging geschäftig in der Wohnung umher, war zufrieden, tat so, als ob sie schimpfe, rührte das Essen um, das auf dem Herd schmorte, hantierte mit Wassereimern, öffnete und schloß die Fenster und fragte ab und zu:
    »Eine Pfeife?«
    Beim letzten Mal gab er keine Antwort mehr.
    Maigret schlief, die Hälfte des Körpers unter der roten Daunendecke vergraben, den Kopf in das dicke Federkissen gedrückt, während um sein ruhiges Gesicht all die vertrauten Geräusche schwirrten.
    Im Justizpalast verteidigte Anna Gorskin ihre Haut.
    In der Santé war sich Pepito Moretto in seiner strengbewachten Zelle bewußt, welches Schicksal auf ihn wartete. Unter dem finsteren Blick des Gefängniswärters, dessen Gesicht das Gitter der Schalterklappe in Würfel zerlegte, ging er im Kreis umher.
    In Pleskau dürfte sich eine alte Frau mit weit auf die Wangen hinabreichender Trachtenhaube in ihrem Schlitten zur Kirche begeben, der über den Schnee dahinglitt und dessen betrunkener Kutscher mit der Peitsche auf das Pony einschlug, das wie ein Spielzeug dahertrabte.
     
    Delfzijl (Holland), an Bord der »Ostrogoth«
    September 1929.

Georges Simenon
über die Geburt der Figur
des Kommissar Maigret
     
    Seit einiger Zeit fühlte ich das Ende meiner Lehrjahre nahen, in denen ich zahllose Erzählungen und Groschenromane unter fünfzehn oder sechzehn Pseudonymen geschrieben hatte. Aber noch zögerte ich, mit einem schwierigeren, wenn nicht sogar ernsteren Genre anzufangen. Ich sehe mich noch an einem sonnigen Vormittag in einem Café sitzen, dessen Besitzer tagtäglich stundenlang seine Tische mit Leinöl zu polieren pflegte. Ich habe in meinem ganzen Leben keine glänzenderen Tische gesehen.
    Um diese Tageszeit saß kein Mensch an dem großen typisch holländischen Mitteltisch, wo die sorgfältig auf Kupferstangen aufgezogenen Zeitungen auf ihre Leser warteten.
    Habe ich ein, zwei oder sogar drei kleine Genever mit einem Schuß Bitter getrunken? Jedenfalls sah ich nach einer Stunde, ein wenig schläfrig, allmählich die mächtige, unbewegliche Statur eines Mannes sich abzeichnen, der mir einen rechten Kommissar abzugeben schien. Im Laufe des Tages gab ich ihm noch ein paar Requisiten: eine Pfeife, eine Melone auf dem Kopf, einen dicken Überzieher mit Samtkragen. Und weil es in meinem verlassenen Boot so feuchtkalt war, genehmigte ich ihm für sein Büro einen alten Kanonenofen.
    Am nächsten Mittag war das erste Kapitel von Maigret und Pietr der Lette fertig; vier oder fünf Tage darauf der ganze Roman.
     

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