Maison Aglaia
missmutig.
"Quatsch, ich stricke hier!" machte sie ihm unmissverständlich klar. Er wagte dennoch zu bemerken: "Aber mit einem Auge im Modejournal? Stricken? Dass ich nicht lache!" Dafür bekam er einen mörderisch kühlen Blick ab.
"Na schön.“ Bequemte sich dann die bequeme Mutter zu äußern und legte ihr Strickzeug seufzend beiseite.
„ Was soll Papi denn für Dich machen, mein Schatz?“ fragte Beatrice dann zuckersüß ihre finster drein blickende Tochter.
"Papi soll den Regen wegschicken!" kam die glasklare Antwort. Peter unterdrückte mühsam ein Glucksen.
"Aha, und wohin?" fragte Beatrice todernst mit ebenfalls zuckenden Mundwinkeln weiter.
"Auf die Lampe!" erklärte ihr Aglaia ebenso ernst wie bestimmt.
"Klare Sache, wohin sonst?" stellte Peter grinsend fest. „Auf die Lampe!“
Zuerst blieb Beatrice der Mund offen stehen, dann musste sie laut lachen.
"Das haben wir nun von unseren dämlichen Ratschlägen!"
Aglaia war nämlich von ihren Eltern ständig versichert worden, dass alle fiesen Sachen "auf die Lampe" gehörten. Wenn sie sich z.B. das Knie angestoßen hatte, dann wurde nur kurz befohlen: "Aua geh auf die Lampe!" Und schon war alles nur noch halb so schlimm, denn das "Aua" saß nun grollend auf der ollen Funzel und verbrannte sich den Hintern.
Aber der Regen hatte offenbar noch keine Lust, sich auf diesen oder einen anderen Kronleuchter zu verflüchtigen. Uneinsichtig pladderte er einfach weiter, hamburgisch, hanseatisch, beständig und nass. Höchst ungehörig, so was!
"In Frankreich scheint jetzt die Sonne." träumte Peter laut und dachte dabei an den warmen Sand am Strand von Palavas und an die drei Grazien auf der Esplanade de Comédie in Montpellier.
„ Sonne!“
Doch das monotone Geräusch von dicken Regentropfen, die gegen die Hamburger Fensterscheiben prasselten, ließ die Sonne des Languedoc schnell wieder verlöschen.
„ Wein!“
Hamburg im Regen bot einen trostlosen Anblick! Nein, dieser graue Himmel konnte wirklich niemandem Trost spenden. Selbst die luxuriös einladenden Empfangshallen des Hotels Vier Jahreszeiten erinnerten in solch tristen Momenten irgendwie an gewisse heruntergekommenen Flure in St. Pauli.
Auch bei der freundlichsten Schwiegermutter oder gutmütigsten Oma mit dem besten Karamell-Nuss-Eis der Welt im Tiefkühlschrank müsste heute eigentlich der Motor der Melancholie stotternd anspringen. Doch besagte Oma bewies den Regenmelancholikern sofort das Gegenteil.
"Omama!" krähte Aglaia nämlich plötzlich zu ihrer Erleichterung. Das Problem wurde an die nächste Generation weitergereicht, die Eltern konnten sich zurücklehnen und abwarten, wie die alte Dame sich aus der Affaire ziehen würde.
"Ja, mein Schatz?" antwortete Omama Ella mit unbeirrbarer Freundlichkeit aus der Küche. Eine gemütlich runde Omama zu haben, die geduldig jede Frage beantwortete, gehörte zu Aglaias besonderen Privilegien.
"Warum kann der Regen nicht auf die Lampe, Omama?" wollte Aglaia mit vollem Kinderernst endlich wissen.
"Weil er sich da oben nicht wohl fühlt." kam prompt die Erklärung.
"Warum fühlt er sich da oben denn nicht wohl?" insistierte Aglaia.
"Weil er sich nicht festhalten kann." doziert Oma ungerührt.
"Warum?" schob Aglaia ihre liebste Standardfrage nach.
"Weil der Regen immer wieder runterfällt." erklärte Omama gleichbleibend freundlich.
"Warum?"
"Weil die Regentropfen immer am Rand herunterfließen und dann auf den Boden plumpsen."
"Plumpsen?“ Aglaia dachte nach. „Warum?"
"Guck mal hier am Fenster..." Omama deutete auf das strahlendste Hamburger Grau.
"Ja?" kam es überraschend warum-los.
"Siehst Du das?“
„ Was?“
„ Na hier, die vielen Regentropfen am Fenster."
"Ja, Omama!" bestätigte Aglaia blauäugig und malte mit ihrem Finger einen Fettfleck auf das Glas. „Da, da Regentropfen.“
"So ist es. Und was machen die Regentropfen da?" fragte Oma geduldig und strich mit dem Zeigefinger von oben nach unten.
"Sie laufen runter, Omama!"
"Richtig, und warum machen sie das?" drehte Oma jetzt den Fragespieß um.
Aglaia staunte ein wenig, malte weitere Fettflecken auf das Fensterglas und strahlte dann in plötzlicher Erkenntnis. "Weil sie sich nicht festhalten können." plapperte sie weiter wie ein Papagei.
„ Heureka!“ rief Peter begeistert.
"Und warum können sie sich nicht festhalten?" fragte Omama geduldig, während sie die Servietten neben die Teller auf den alten Mahagoni-Esstisch legte.
Aglaia riss die blauen
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