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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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unsichtbare, selbstentäußernde Arbeit. Doch wer das Gebäude betritt, sieht sofort, daß Zupacken in dieser Stadt auch unerhört grandios, schamlos selbstgefällig sein darf. Künstler müssen sich selbst großartig finden. Nur ein bißchen gut reicht nicht. Die Skulpturen, Fenster, Leuchter, Gemälde, Reliefs und Mosaiken des Interieurs sind denn auch samt und sonders meisterhaft entworfen und ausgeführt. Wir Bürger, Eigentümer dieser glänzenden Schau, stellen fest, daß die Welt mit ein paar kundigen Händen gestaltbar ist.
    Ausländer schweigen meist eine Weile fassungslos.
    Dann: »Ähm … der Petersdom ist größer.«
    »Na schön, aber das ist ein kirchliches Bauwerk.«
    »Soweit ich weiß, ist der Dogenpalast in Venedig mindestens so groß und ganz sicher genauso schön.«
    »Den darf man als normaler Bürger aber nicht so einfach betreten.«
    »Die Uffizien in Florenz …«
    »Das gleiche, mein Herr, genau das gleiche, da kommt man auch nicht so einfach hinein!«
     
    Auch der Maler war mit seinen Gedanken noch im Rathaus. Auf dem Weg zur zweiten Brücke am Nieuwe Dijk, nicht zu der ersten, die lag ihm etwas zu nah bei dem bevorstehenden gewaltsamen Tod, ging er den Nieuwezijds Achterburgwal entlang, war in Wirklichkeit aber noch dort .
    Erster Stock. Zeit der Handlung: vor einem Jahr und neun Monaten. Auf einer der Galerien des Bürgersaals hängt in sieben Meter Höhe das größte und gewagteste Werk, das er je malen sollte, ein Historienbild, die Demütigung seines Lebens.
    Sie hatten zu fünft dagestanden und nach oben geblickt, er und die vier Mitglieder des Kunstausschusses, der aus einem Holzhändler, einem Schiffsmagnaten und zweien der vier Bürgermeister der Stadt bestand, alles sehr reiche und feine Leute. Der August war naß in dem Jahr. Draußen strömte der Regen, drinnen brannten Kerzen und Fackeln, aber es blieb eher düster. Alle fünf hatten das Bild bereits gesehen, dennoch waren sie, einer wie der andere, von neuem überwältigt, auch der Maler selbst. Die einschüchternde Wirkung des Gemäldes lief darauf hinaus, daß die reale Welt – Treppen, Wände, Beleuchtung, fünf echte Männer – ohne nennenswerte Begrenzung in eine sechs Meter breite und mehr als fünf Meter hohe Doppelwelt überging, in der das Licht heller war, der Raum geräumiger und die Männergruppe an dem langen Tisch wesentlich wirklicher als die Männer, die sie in diesem Moment betrachteten. Die dominierende Gestalt der Tafelrunde war ein grobschlächtiger Hüne, Typ Banditenkönig, aber mit einer Art Tiara auf dem Kopf, also eigentlich ein Papst. Stiernacken. Das Schwert gezückt in der Faust. Als wären sie irgendeiner Höllenschmiede entstiegen, saßen sie in einem glühenden Rampenlicht beisammen.
    Der Maler hatte abgewartet und dem schweren Atmen um sich herum gelauscht. Manchmal benötigt Wut eine Weile, um sich warmzulaufen. Ein Mensch wird böse, weiß aber nicht immer gleich, warum.
    »So geht das nicht«, hörte er murmeln.
    Der Holzhändler.
    Mit seinen hohen Wänden, Bögen und der Treppe hatte das Interieur in dem Gemälde viel Ähnlichkeit mit dem des Rathauses, allerdings war es höhlenartiger, gefährlicher. Durch die unverschämt steile Perspektive schaute man gleichsam wie aus einer Erdgrube zu der Männergruppe empor, die eindeutig irgendeinen Plan schmiedete – du bist tot, die da leben.
    »Nein, so geht das nicht.«
    Der Schiffsmagnat.
    Sie hatten ihre Betrachtung fortgesetzt – das Bild strahlte Ernst, Freiheit, Alkohol und Blut aus, das sind Dinge, die locken –, und danach hatten die vier Regenten noch einmal genauer hingeschaut: Es strahlte, an diesem säkularen Ort in der kalvinistischen Republik, auch eine Art unangebrachter Heiligkeit aus. Die gezückten Schwerter, die Gesichter, das Tafelgeschirr, der Gefolgsmann, der, als hinge sein Leben davon ab, einen Kelch anbetet – ein übrigens meisterhaft gemaltes Glas, das sahen sie durchaus, in den Farbtönen, die auf einer Palette schlammig und rotzartig aussehen mögen, sich auf einer Leinwand jedoch äußerst hell und licht zeigen.
    Der Maler wartete ab, als gehöre er nicht dazu. Was wollten sie? Er konnte keine Gesichter lesen, nicht im wahren Leben, nicht ohne den Geruch von Harz und Leinöl, ein Stück Holzkohle genügte auch. Also, was wollten sie? Ein paar Anpassungen, nicht zu weitgehend, hätte er natürlichjederzeit vornehmen können. Da räusperte sich der Holzhändler, den Blick noch immer auf den riesenhaften Barbaren

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