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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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Damals, hier
    An dem Tag, an dem das Mädchen erdrosselt werden sollte, war der Maler schon morgens in die Stadt gegangen. Normalerweise wäre er zu dieser Stunde bei der Arbeit, jetzt ging er die Rozengracht entlang. Nach zehn Uhr und sehr schönes Wetter. Seine Stimmung, die die ganze Woche über bedrückt gewesen war, entspannte sich. Die ersten Maitage sind von Natur aus fröhlich, an den Sommer mit seiner brütenden Hitze denkt man noch nicht. Im Morgenlicht bestehen die Häuserfassaden aus Grau- und Brauntönen, Schwarz braucht man dafür nicht, und der Himmel darüber ist von einem nicht zu benennenden Blau. Er überquerte die Straße. Seine Stirn mit den vielen waagrechten Falten verlieh ihm das Erscheinungsbild eines Denkers, der er auch war. Maler pflegen mit den Händen zu denken.
    Wo die Rozengracht die Prinsengracht kreuzte, fiel ihm auf, wie voll es war. Alles zog in Richtung der Brücke über den Nieuwezijds Achterburgwal. Was wollten die alle dahinten, beim Rathaus? Denn wer hier ging, war in Richtung Dam unterwegs. In der Biegung, ein paar Schritte weiter, blieb er stehen und bückte sich, um sich zu erkundigen. Am Fuße der kleinen Treppe zu einem Dienstboteneingang war eine Frau gerade dabei, die Haustür mit beiden Händen zuzudrücken.
    »Was geht hier vor?«
    Die Dienerin blickte über die Schulter. Sie sah einen älteren Herrn mit durchdringendem Blick, der nicht wußte, was ihrer Meinung nach die ganze Stadt schon seit Tagen wußte. Sie stieg die Stufen hinauf.
    »Wissen Sie das denn nicht?!«
    Heute sei Gerichtstag.
    Er reagierte nicht.
    Es gebe eine Hinrichtung auf dem Dam.
    Aha, sagte er mit einem Kopfnicken und wollte schon weitergehen, doch die Frau starrte ihn immer noch eindringlich an. Das Besondere kam also noch. Er sah, wie sich ihre Wangen und ihr Mund kurz verzerrten, in den Augen blitzte Neugier auf, brennend wie ein starkes Verlangen.
    »Eine Frau«, sagte sie. »Ein Mädchen. Erst achtzehn.«
    Sie machte einen Schritt zur Seite, um ihn vorbeizulassen.
    »Es findet um elf Uhr statt«, sagte sie noch.
    Als er weiterging, war er im Prinzip noch immer auf dem Weg in die Warmoesstraat, um bei einem seiner Lieferanten Material für ein Gemälde einzukaufen, ein im Werden begriffenes Werk, das zu diesem Zeitpunkt bereits weit an seinem Verstand und auch an seinen Gedanken vorbeigestrebt war und daher wie ein Magnet an ihm zog. Ein Liebespaar, zwei Personen in Gold und Rot, in einen dunklen Raum gesetzt. Ausnahmsweise war das Bild nicht unmittelbar für einen Käufer bestimmt, bis zu dem Moment, da er dringend Geld benötigte, gehörte das, was es darstellte, ihm. Doch was er soeben erfahren hatte, hatte sich bereits in sein Herz geschlichen und würde dort, Beachtung fordernd, bleiben. Hinrichtungen gab es in der Stadt natürlich regelmäßig. Einige sahen sich das an, das heißt, mindestens ein paar hundertLeute, und wenn der Fall die Phantasie ansprach, waren es mitunter mehr als tausend, andere taten es nie.
    Als Kind, in Leiden, hatte er natürlich Hinrichtungen durch Erhängen gesehen. Durch Erdrosseln nie. War das weiblichen Kriminellen vorbehalten? Sitzend. Fand man das vielleicht schicklicher?
    Im Ohr noch die paar Worte, die ihm berichtet hatten, was hier bevorstand, bereits im Begriff war, im Leben eines erst achtzehnjährigen Mädchens zu geschehen, erreichte er die Brücke in dem Moment, als die Glocken zu läuten begannen. Zunächst etwas weiter weg, dumpf, träge, schon bald übertönt vom schweren Dröhnen der Westerkerk genau über seinem Kopf.
    Die übertreiben, dachte er.
    Tatsächlich machten die Kirchen heute mehr Tumult als üblich, und das war verständlich. In dieser Stadt war schon seit langem keine Frau mehr vom Leben zum Tode gebracht worden, genau gesagt, seit einundzwanzig Jahren. Männer dagegen regelmäßig. Diebe, Gewalttäter, Rückfällige, irgendwann war man das Theater leid und band sie aufs Rad oder hängte sie auf.
    Obwohl der Dam auf seinem Weg lag, bewirkte der Trubel, daß der Maler, jetzt auf andere Weise, zwingend, in die Menge aufgenommen, dorthin gezogen wurde. Es ging ihm auf die Nerven. Vor kurzem hatte er in einem Buch die Darstellung eines Götzenbilds gesehen. Es hatte den gehörnten Kopf eines Büffels und vier gekrümmte Menschenarme. An bestimmten Tagen, so hatte er mit Interesse gelesen, wurde im Inneren der Figur ein loderndes Feuer entzündet, und das Volk erhielt die Gelegenheit, den Gott dadurch gnädig zu stimmen, daß man

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