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Maler und Mädchen - Maler und Mädchen

Titel: Maler und Mädchen - Maler und Mädchen Kostenlos Bücher Online Lesen
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importiert, doch die Worte hatten sich natürlich längst, opportunistisch wie Worte sind, zum Amsterdamerischen bekehrt.
    Sie saß schwitzend auf dem Steinpodest, auf dem man ihr mit einer Matratze und einer Decke ein Lager bereitet hatte. Sie hatte sich nach dem Abschied ihres zweiten Wegbegleiters kurz hingelegt, hielt es aber nicht aus, zuerst weil sie sich schrecklich einsam fühlte, danach wegen eines Knäuels fremdartiger Ungeheuer, erstickender Visionen, die sich ihr in rasend schnellem Wechsel aufzudrängen versuchten.
    Sie hob verwundert den Kopf.
     
    Wie still es jetzt auf der Straße ist
    Jeder, der nach Haus gehn mußt’
    Ist nach Haus gegangen
    Und jeder, der reden mußt’
    Hat zu Ende geredet
     
    Und der lieben mußt’, küssen
    Hat geliebt, geküßt
    Wie still es jetzt auf der Straße ist
    Jeder, der leider! seufzen mußt’
    Hat leider! geseufzt.
     
    Auf der Strecke zwischen dem IJ und der Halbinsel Volewijck segelten an diesem Nachmittag ein Dutzend Schiffe gen Amsterdam oder kamen von dort. Ihre Logbücher würden nichts Besonderes über den heutigen Tag vermelden. Kein Sturm, keine Piraten, keine Quarantäne, keine Zusammenstöße. Und von den kleinen Booten, die zwischen den großen alles mögliche ausheckten, kleine Geschäfte, Dienstleistungen, würden die Seiten sowieso schweigen. An diesem Sonnabend, dem dritten Mai, beförderte ein kleines Schiff mit hochgebogenem Vordersteven, eines dieser Minipinks, die sich sowohl für die Gracht als auch für das IJ eignen, ein zu Tode gebrachtes Mädchen. Zwischen ihrem Kopf und dem kleinen Vorratsschrank an der Bordwand lag das einzige, was man ihr auf ihre Reise mitgegeben hatte, ein Beil, verschwommen und unscharf im Schatten des Verdecks.

28
Wenn eine Frau will (2)
    Er kannte den Kalvarienort natürlich. Na klar, wie jeder, der gern Schlittschuh läuft. Wie herrlich sie doch gewesen waren, diese Touren! Der dumpfe, stille Winter in der dumpfen, stillen Stadt. Und dann die Kälte, die auf einmal die Zügel straffer anzieht, manchmal schon Ende November. Man läuft zwischen den eingefrorenen Schiffen bei Kattenburg los, man müht sich über die Huckel aus gelbem, aufgestautem Eis am Rande des Hafenbeckens und zieht sich die Mütze über die Ohren. Man ist ins pure Licht hineingefahren. Unter einem ein schwarzer Spiegel, von dem man zu Beginn die Augen nicht abzuwenden wagt, doch ganz normal verhält man sich schon nicht mehr. Von allem befreit, fährt man von Osten genau in die Sonne nach Westen und nimmt Kurs auf die Bahn von meist vorzüglicher Qualität entlang der Halbinsel Volewijck.
    Sie lief oft vor ihm, in jenem ersten Winter. Das gehört einfach zu einer Friesin, Ungeduld, Kraft. Sie wird noch viel närrischer vom Eis als ein Amsterdamer. Bei jenem einen Mal trug sie ein fuchsbraunes Wollkleid mit einem dicken blauen Mantel, weit abstehend wie ein umgedrehter Flachskorb, bis in Kniehöhe.
    Blick über die Schulter, Tempo verringern. Sie liefen in diesem Moment an den Kuchen- und Getränkebuden amGalgenfeld vorbei und hatten beide die Aufschrift Hier Ausschanck von Orangenliqueur gesehen.
    »Hm, lecker«, seufzte sie und atmete tief.
    Sie trank mit kleinem, gespitztem Mündchen.
    »Ja, schmeckt es dir?« fragte er gemütlich.
    Sie nickte.
    Er blickte, fast verzückt, auf ihre roten Lippen, das blonde Haar, das sich unter dem Rand ihrer Pelzmütze hervor über Stirn und Wangen ringelte, und sehnte sich dringend, aber schön, genüßlich ohne Eile, nach der Nacht. Sie waren rund fünf Monate verheiratet. Keine Schwangerschaft, noch nicht, jetzt noch nicht. Sie glitt zurück zum Ausschank, um ihr leeres Glas abzustellen, und kam wieder zu ihm zurück. Er sah sie mit ihren noch urgesunden feurig geröteten Wangen, wie sie in die Leere des Lichts schaute.
    »Und fast kein Wind«, sagte sie, die nur schwach flatternden Fähnchen an den Buden inspizierend. Er konnte sehen, daß sie Lust hatte, Lust, weiterzulaufen. Er selbst hätte gern noch ein Gläschen getrunken. Betrunken wurde man nicht auf dem Eis, nicht trunkener, als man von den ersten Schwüngen an ohnehin schon war. Er sah auf das fröhliche Treiben um sie herum. Die Buden im Uferschilf, mit der Rückseite zu den Kadavern an den Galgen, waren eine bestens geeignete Raststelle für die etwas seriöseren Läufer, aber auch für die kleinen Gesellschaften, die sich mit Pferd und Schlitten auf die andere Seite hatten schleppen lassen, um den Blick auf die eingefrorene Stadt zu genießen

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