Malerische Morde
Haare nicht besonders kurz, aber auch nicht besonders lang.«
»Und deine Erklärung ist nicht besonders schlecht, aber auch nicht besonders gut«, grunzte Harald. »Er ist jetzt schon zwei Jahre weg von hier, und da kann Domingo ihn gar nicht kennen.«
»Dann hast du was verpasst, Domingo.« Theo zuckte mit den Schultern. »Er war wirklich ein verrückter Typ.«
Sie saßen an einem kleinen, runden Tisch in der Nähe der Theke und erinnerten sich an alte Zeiten.
Und irgendwann waren sie bei Herbie Feldmann gelandet. Bei einem weder lang-noch kurzhaarigen, weder sehr großen noch extrem kleinen Zeitgenossen, der vor Jahren Stammgast in diesem Bistro gewesen war.
»Wasse war sso besonders an ihm?«, fragte der Italiener.
Die beiden guckten sich an, und ein Grinsen huschte über ihre Gesichter. Theo tippte sich zuerst an die Stirn.
»Er hatte nicht alle Meisen in der Trommel.«
Harald relativierte das: »Wenn man Herbie Feldmann auf der Straße begegnete, hätte man vermutlich keine Notiz von ihm genommen. So im Vorbeigehen sah er völlig normal aus.«
»Also weder besonders …«, wollte Theo ergänzen, aber Harald winkte ab.
»Er hat eine Tante hier wohnen. Hier in Bad Münstereifel. Sie ist irrsinnig reich. Villa oben an der Windhecke und so. Ein unangenehmes, altes Reptil, diese Frau. Der Haken an der ganzen Sache ist folgender: Eigentlich gehört ein ordentlicher Teil dieser Kohle unserem Herbie. Sie ist sein Vormund, denn, wie Theo schon ganz richtig erwähnte …«
Theo tippte sich wieder an die Stirn und kicherte.
»Wasse warr denn sso verruckt an ihm?« Domingo holte einen Stuhl vom Nachbartisch und klemmte ihn sich zwischen die Beine. Das Bistro hatte sich weitestgehend geleert, der sägende Gesang von Patricia Kaas hing zwischen dem Kitsch und den Kostbarkeiten, die von der Decke baumelten, die Wände pflasterten oder den Weg versperrten.
»Nun ja«, Harald beugte sich vor, setzte eine konspirative Miene auf, bemerkte dann, dass sein Bierglas leer war, und nachdem Domingo diesen Missstand behoben und sich wieder zu ihnen gesetzt hatte, erklärte er: »Herbie Feldmann hatte einen neben sich gehen.«
»Wie?« Die Redewendung erschloss sich dem Italiener nicht auf Anhieb.
»Er war nie wirklich allein, verstehst du?« Theo redete wieder mit den Händen und malte eine imaginäre Gestalt in die Luft neben seinem Stuhl.
Harald präzisierte es: »Herbie Feldmann war von dem Wahn besessen, es sei ständig jemand in seiner Nähe. Und das seit seiner Jugend. Zur Erklärung muss man vielleicht dazu sagen, dass er nach dem Tod seiner Eltern einen Nervenzusammenbruch hatte und in psychiatrischer Behandlung war.«
»Es soll ein großer, fetter, bärtiger Kerl gewesen sein«, sagte Theo. »Er hieß Julius.«
»Ja, und wenn man Herbie auf der Straße oder im Café begegnete oder beim Einkaufen, dann konnte es durchaus sein, dass er gerade in ein ernstes Gespräch mit seinem unsichtbaren Begleiter vertieft war. Mit Julius eben.« Harald reckte sich auf seinem Bistrostuhl und unterdrückte ein Gähnen.
»Manchmal stritten sie«, fiel es Theo ein. »Ich habe Herbie mal am Geldautomaten in der Bank getroffen, und da hat er versucht, sich an seine Geheimnummer zu erinnern, während Julius fortwährend irgendwelche Zahlenketten runterplapperte.«
Harald verschluckte sich. »Du hast Julius gehört?«, fragte er entgeistert.
»Quatsch. Herbie hat es mir hinterher erzählt. Er musste sich eine neue Geheimnummer geben lassen, weil er ganz durcheinandergeraten war.«
»Im Lebensmittelgeschäft Melder haben sie sich mal gezankt, ob die Melonen reif sind oder nicht.« Dann seufzte Harald. »Aber das ist ja alles längst vorbei.«
Domingo erhob sich langsam wieder. Die Geschichte schien zu Ende zu sein. »Wießo vorbei, eh?«
Theo stopfte seine Pfeife nach und berichtete: »Herbie hat die Frau fürs Leben gefunden. Nina, seine Cousine. Mit der ist er nach München abgehauen, weil seine Tante, der alte Drachen … aber das ist eine andere Geschichte. Jedenfalls habe ich gehört, dass Julius seither nicht mehr aufgetaucht sein soll. Unser Herbie ist jetzt ein ganz normaler junger Mann. Vielleicht normaler als Harald …«
Harald kicherte. »Ich weiß. Weder besonders klug, noch besonders …«, plötzlich hielt er inne und starrte wie vom Donner gerührt auf die Eingangstür.
Der Kellner und Theo folgten verwundert seinem Blick.
Im Eingang stand ein junger Mann. Er war nicht besonders groß, noch war er
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